Monatsspruch Juni „Fürchtet euch nicht, bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet.“ 2. Mose 14,13
Monatsspruch Juli: „Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“ 2. Mose 23,2
Liebe Gemeindeglieder der Kirchgemeinde von Schönfeld-Weißig,
derzeit sind wir mit vielfältigen Ängsten konfrontiert. Mit fremden und eigenen. Die Einen sorgen sich um ihren Obst- und Weinertrag in diesem Jahr, da der Frost so große Schäden angerichtet hat, nachdem vieles viel zu zeitig ausgetrieben hatte. Die Anderen sorgen sich angesichts der weiteren Erwärmung unseres Klimas und schauen auf die Folgen. Die Einen sorgen sich um den sozialen Frieden im Land aufgrund der Zuwanderung von außen, die Anderen darum, dass Gesetze geschaffen werden könnten, die die Grundrechte für Flüchtende aushebeln usw.
Auf diese so vielfältigen Ängste treffen die diesjährigen politischen Wahlen und greifen die entsprechenden Stimmungen auf.
Der Monatsspruch für den Monat Juni setzt ein wichtiges Gegengewicht und ruft zur Zuversicht und zum Gottvertrauen trotz aller widrigen Umstände auf:
„Fürchtet euch nicht und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet“, forderte Mose die kleine hebräische Schar auf, die sich in der Sackgasse und in Todesnot wähnte: vor sich das Schilfmeer und hinter sich die hochgerüstete Streitmacht des Pharao. Vor beidem wurde Moses Schar an jenem Tag wunderbar gerettet.
Allerdings möchte ich den Vers nicht so auslegen, dass wir den Tod derer erbitten sollen, die anders denken als wir. Im Gegenteil. Unsere große Aufgabe wird es für die kommenden Jahre sein, das Miteinander-Leben und Auskommen zu üben. Miteinander nach dem zu suchen, was das Leben für möglichst viele Menschen, Tiere und Pflanzen zu erhalten hilft. Danach zu suchen über Generationen- und Parteiengrenzen hinweg.
Dies immer wieder zu üben, kostet Mühe. Und braucht Übung. Sprechen wir respektvoll mit anderen, über andere? Beziehen wir auch die Andersdenkenden in unsere Gebete ein? Diejenigen die in Leitungsverantwortung stehen? Oder schimpfen wir nur über sie? Wie setzen wir uns in unserem Umfeld für Recht und Gerechtigkeit ein? Wie für die Wahrheit? - Wie schnell wird jemand verunglimpft, fälschlich beschuldigt – und schon ist per (un-) sozialer Medien die falsche Beschuldigung gegenüber Einzelnen oder ganzen Gruppen in der Welt.
Und noch ein Gedanke: Prüfe ich meine Wahlentscheidungen vor Gott und meinem Gewissen oder lasse ich mich von Stimmungen mitreißen, vielleicht sogar vom Zwang der Gruppe? Dass daraus ganze Unrechtssysteme erwachsen können, zeigt uns der Blick in die eigene deutsche Geschichte deutlich. Und so schließe ich mit dem denkwürdigen Monatsspruch für den Juli: „Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“ Auch aus dem Munde des Mose überliefert!
Mit herzlichen Grüßen,
Ihre Vakanzpfarrerin Maria Heinke-Probst
Liebe Gemeinde,
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ ist die biblische Jahreslosung für 2024, die dem 1. Korintherbrief entstammt. Ein Jahr lang die Dinge, die wir alle täglich so von uns geben, unter dem Aspekt anschauen, ob sie liebevoll sind oder eben nicht. Das ist ein ganz schön hoher Anspruch, finde ich. Gleichzeitig klingt die Losung recht allgemein, denn was ist schon „Liebe“? Ist der Begriff nicht längst zu einer Worthülse verkommen, wo draußen „LIEBE“ draufsteht und es innen entweder leer aussieht, oder jede und jeder von uns etwas anders hineintun und mit „LIEBE“ verbinden kann?
Die Jahreslosung wird von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen drei Jahre im Voraus aus der Fülle an Bibeltexten ausgewählt, also nicht klassisch gelost. 2021 war das demnach, als unser Land, unsere Welt unter der nächsten und wieder nächsten Coronawelle stöhnte und bei uns Menschen nicht nur Infektionen sondern auch allerlei andere Reaktionen hervorrief. Pro und contra vor allem im Blick auf die damit einhergehenden gesetzlichen Beschränkungen machten uns zu schaffen. Freundschaften sind in dieser Zeit zerbrochen, Menschen haben sich entzweit. Auch Proteste formierten sich auf der Straße, die nicht selten von manchen Ideologen für sich gebraucht wurden. Ja, bis heute steckt uns diese Zeit in den Knochen. - Und ausgerechnet da als biblische Antwort der Ruf zur Liebe! „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“
Kirchenvater Augustinus sagt es pointiert so: „Liebe und tu, was du willst.“ Oft denke ich, dass die Welt in der Tat anderes aussähe, wenn wir Menschen beginnen, nach dieser Devise zu leben. Sie ist jedenfalls das Gegenteil von: „Ich bekämpfe, was mir nicht passt.“ oder „Ich, ich und wieder ich.“ Oder „Die da oben.“ oder „Mein Nachbar ist mir egal.“ oder „Was geht mich das an?“ oder „Es hat alles eh keinen Sinn.“ oder, oder, oder. Die Liste der egoistischen Lieblosigkeiten ließe sich beliebig fortsetzen.
Tatsache ist, dass dort, wo in einer Gesellschaft vornehmlich Feindseligkeit bis hin zu Hass zu Hause sind, ebenso Gleichgültigkeit und Egoismus, diese nicht lange Bestand haben wird. Sich seinen destruktiven Impulsen hingeben, ist leicht, auf Dauer aber toxisch. Sich zur Liebe motivieren hingegen ist Arbeit: Beziehungsarbeit, Seelenarbeit, Persönlichkeitsarbeit. Ohne diese geht es aber nicht! - Haben wir das vielleicht vergessen in unserer Gesellschaft, wo am Besten alles gleich und sofort sein muss?!? - Nein, Wachstum braucht Zeit. Und die Frage ist einmal mehr, woraufhin wir wachsen! - Können wir, können Sie mit Paulus, aus dessen Feder ja auch die Jahreslosung stammt, sagen: „Lasst uns wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus!“? (Eph. 4, 15)
Ein ganzes Jahr lang sind wir eingeladen zu diesem Wachstum.
In diesem Sinne grüßt Sie Pfarrer Ulf Döring.
Monatsspruch Januar: Junger Wein gehört in neue Schläuche. Mk. 2,22
Wieder ist es Advent geworden. Spät geht in diesen Tagen die Sonne auf, abends wird es zeitig dunkel. Mitten im Dezember werden unsere Sinne - auch über die Wechselwirkung von Licht und Dunkelheit - auf besondere Weise angesprochen. Unsere Augen sehnen sich nach Licht. Verständlich. Das Dunkel draußen scheint vielerorts die Dunkelheiten der menschlichen Existenz zu verstärken. Viele schmücken ihre Wohnungen und Vorgärten mit großer Hingabe und schaffen sich Licht auf alle erdenkliche Weise. Auch die Installationen von „Christmas garden“ im Pillnitzer Park versuchen mit Lichtquellen verschiedenster Art, Menschen zu erreichen. In der Bibel wird die Dunkelheit nicht verdrängt, sondern vorausgesetzt. Die äußere wie innere. Die Bibelworte der Adventszeit sprechen von menschlicher Dunkelheit und jenem Licht, das von Gott her genau da hineinfällt: „Über denen, die im Finstern wohnen, scheint es hell.“ Christliche Gemeinden begehen die Adventszeit als einen Weg von der Dunkelheit zum Licht. Wir lassen das Dunkel zu und halten es Gott hin. Auch das Dunkel unseres eigenen Lebens. Wir lassen uns von Gott her mitnehmen auf den Weg zum Licht. Langsam wird es heller, die erste Kerze auf dem Adventskranz wird entzündet, die zweite, dritte und vierte, bis am Heiligen Abend das Licht zu seiner Fülle kommt. An jenem Tag, an dem wir die Geburt Jesu feiern. Im Monatsspruch für den Dezember spricht ein alter Mann, Simeon, der am Jerusalemer Tempel diente. Sein Leben lang hatte er auf den Messias gewartet. Sich nach Erlösung gesehnt. Weder mit elektrischem Licht wie wir heute noch mit einem besonderen „event“ konnte er seine Tage zum Leuchten bringen. Seine Sehnsucht reichte allerdings tiefer als zu einer kurzen Stimmungsaufhellung, erstreckte sich auf Heil und Heilung für die Völker. Eine weltumspannende Sehnsucht. Von Simeon heißt es, dass er den kleinen Jesus-Knaben als 6-wöchigen Jungen im Tempel zu Gesicht bekam. Und dass er offensichtlich mehr in ihm sah als ein Baby. Er begriff etwas von jener Zeitenwende, die mit Jesus begonnen hatte. Die Licht ins Dunkel des einzelnen Herzens wie der Menschheit brachte. Durch Jesu Zuwendung zu den Randgestalten und bedrohten Existenzen. In seinem Zuspruch für die Sanftmütigen und Friedensleute.
Simeons Augen sahen durch die Dunkelheit hindurch jenes Licht, das die Welt braucht. „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern.“ Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich auf diesen Weg zum Licht mitnehmen lassen und Ihre Augen etwas von Gottes Heil sehen.
Herzliche Grüße, Ihre Vakanzpfarrerin Maria Heinke-Probst
Der Frieden war selbstverständlich geworden; meine Generation hat ja auch nie etwas anderes erlebt. Was in Jugoslawien passierte oder in Syrien oder im Sudan und im Jemen – das war bzw. ist weit weg, es hat uns nicht direkt betroffen. Wir waren keine Kriegspartei, nicht direkt bedroht. Friedensdekade und Friedensgebete waren folglich nicht sonderlich gut besucht. Wenn wir von Sicherheit sprachen, meinten wir vor allem die ökonomische bzw. soziale und die vor Kriminalität bzw. Terroranschlägen. Armeen hielten wir für überflüssig und Rüstung für Geldverschwendung.
Jetzt ist alles anders und ich muss kein Wort auf eine Erklärung dafür verschwenden; wir können es schon nicht mehr hören. Neben der Angst vor Bomben und Naturkatastrophen ist die Hilflosigkeit wohl das schlimmste, was unser Leben jetzt beeinträchtigt. Es bleibt Unsicherheit. Wir können kaum etwas tun, was uns das Gefühl gäbe, wirklich die Ursachen der Probleme und die damit einhergehende allgemeine Unsicherheit zu bekämpfen. Natürlich können wir partiell aufs Fliegen und aufs Auto verzichten, aber das ändert weder die globale Lage noch unsere Unsicherheit. Der früher so belächelte Satz wird ernst: Hier können wir nur noch beten. Oder: Hier hilft nur noch beten.
Damit sich nicht das Gefühl des Selbstbetruges einstellt: Können wir und hilft es wirklich?
Sie verzeihen, dass ich nicht schnell mit „Ja, natürlich!“ antworte, wiewohl es darauf am Ende natürlich hinauslaufen wird.
Beten kann, darf und sollte man lernen und dazu üben. Obwohl es keine Formen, Regeln oder Normen gibt, die notwendig einzuhalten sind. (Außer vielleicht, dass man nie gegen, sondern nur für etwas oder jemanden beten soll.) Einige bringen es einfach, scheinbar. Anderen gelingt es nicht. Ähnlich wie Briefe schreiben. Darum zwei Möglichkeiten der Hilfe:
1. Sie können beginnen mit vorformulierten Gebeten: das Vaterunser und die Psalmen. Wenn es dabei bleibt, ist es gut. Man muss nicht frei formulieren. Aber man kann und darf. Irgendwann und irgendwie.
2. Wir können miteinander beten: in der Familie, mit Freunden, im Gottesdienst oder z.B. bei Friedensgebeten. Dazu gibt es jährlich im November in den 10 Tagen vor dem Buß- und Bettag die Friedensdekade, die wir in unseren Schwestergemeinden am Elbhang gemeinsam durchführen, in jeder Gemeinde 2 Abende bzw. Gottesdienste. Diese Abende werden in unterschiedlicher Form angeboten, wie man auch auf verschiedenste Weise beten kann: singend, tanzend, schweigend …
Die Ökumenische Friedens-Dekade steht dieses Jahr (12. bis 22. November 2023) unter dem Motto „sicher nicht – oder?“
Mich hat diese Formulierung zuerst verunsichert, man kann sie unterschiedlich verstehen. (Besser fände ich „nicht sicher – oder?“) Es soll damit das angesprochene Gefühl der Unsicherheit aufgegriffen werden und mit dem Fragezeichen am Ende die Eindeutigkeit oder die Berechtigung dieses Gefühls der Unsicherheit angefragt werden. Durch die Praxis des Gebetes.
Und damit sind wir bei der Frage an die zweite erwähnte Redewendung: Hilft beten denn wirklich? Schaffen wir damit Frieden?
Das weiß man wohl nie vorher. Wir meinten zu wissen, dass man mit Waffen nie Frieden schaffen könnte. Sicher sind wir da nicht (mehr). Aber wir schicken doch Waffen in die Ukraine. (Und das wird ja von einigen kritisiert, z.B: von einigen in der Nachfolgepartei derer, die uns damals die Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ verboten haben.) Unsere christliche Ethik ist in der Friedensfrage schwer in Bedrängnis geraten. Auf Gegenwehr verzichten kann man aber eben immer nur für sich selbst, nie für andere.
Das Gebet ist wohl das einzige, wo man sicher sein kann, dass es den Frieden nicht stört, sondern ihn begünstigt, nährt oder herbeisehnt. Solange man nicht nur „gegen den Krieg“ betet und damit meistens ja gegen eine der Kriegsparteien. – Ehrlicherweise wollen die meisten bei uns ja auch nicht nur ein Ende des Schießens, sondern eine Begrenzung der Macht Russlands auf sein Territorium, weil alles andere als Gefahr für neuen Krieg angesehen wird. Es scheint also doch gar nicht so einfach mit dem Beten für den Frieden zu sein.
Nun, natürlich können wir eben positiv für Frieden bitten und beten, ohne den Weg dahin genau vorzudenken. Und wir können für beide Kriegsparteien beten, dass sie sich vom anderen nicht mehr bedroht fühlen müssen. Ob es dazu Wunderheilungen bedürfte, weiß ich nicht. Aber solches Gebet, wenn es denn ernstlich ist, würde auch uns Beter verändern. Und das könnte wirklich zum Frieden beitragen, ganz fundamental.
Ihr Pfarrer Gabriel Beyer
„Jesus Christus spricht: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?“
Matth. 16,15
In meiner letzten Andacht, die ich für diesen Gemeindebrief schreibe, wird das für mich wie für uns alle zu der entscheidenden Frage: Wen oder was sehen wir in diesem Jesus Christus, nach dem wir uns als Christen benennen? Ist er einer unter vielen klugen und weisen Männern, wie wir sie kennen aus der langen Geschichte der Menschheit? Ist er ein Hochstapler, der sich mit schönen Worten und ein paar guten Taten als Gottessohn verehren lässt? Oder ist er wirklich der Christus, der Gesalbte Gottes und sein Sohn, so wie ihm Petrus antwortet?
Es ist nicht nur damals zu Jesu irdischen Zeiten eine wichtige Frage, sondern auch heute. Denn davon hängt viel ab. Wenn er nur ein normaler Mensch und ein normales Vorbild im Glauben ist, dann wird er in meinem Leben auch immer nur einer von Vielen sein, dem man nacheifern kann oder auch nicht.
Viele Christen sehen das so und so leben sie auch. Da sind im Leben viele andere Dinge wichtiger, für die sie ihre Zeit investieren, sich einsetzen. Der Glaube wird zu einer Moralgeschichte in der man das Gefühl hat, dass alles, was Spaß macht, verboten ist. Wer will da schon dazugehören?!
Doch so ist es nicht. Petrus hat damals erkannt, woher Jesus gekommen ist und dass sich an ihm entscheidet, wie sein Leben in Zukunft sein wird.
„Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn“, ist seine Antwort.
Jesus ist damals nie ein Spaßverderber der Menschen gewesen und ist es auch heute nicht, im Gegenteil. Wer ihm in seinem Leben folgt, der wird gerade erleben, wie sich manche Zwänge, Wut, Hass und Ängste verlieren, die so oft unser Leben bestimmen. Wir müssen nicht mehr machen, was alle machen. Nein, wir können erleben, wie Jesu Geist uns mit anderen Menschen zusammenführt in der Gemeinde und darüber hinaus.
Aber noch entscheidender als die Frage, wer Jesus ist, ist die weitergehende Frage: Wer ist dieser Jesus für Dich? Ist er der Herr in Deinem Leben? Das allein entscheidet darüber, ob er es verändern kann oder nicht. Und das will er.
Er möchte es heil und gesegnet machen mit einer Freude im Herzen, die wir uns nicht selbst geben können. Er möchte alles aus Deinem Leben nehmen, was Dich niederdrückt und Dir Angst macht. Er möchte Dir Kraft geben für die Herausforderungen des Lebens und in der Gemeinde Menschen an die Seite geben, die seine Liebe ebenso leben wir Du. Das heißt nicht, dass es immer ein leichtes und sorglosen Leben sein wird, aber er will da sein in allen Lebenssituationen, in den guten wir den schweren.
Liebe Gemeinde,
daran wird sich entscheiden, wie die Gemeinde und unsere ganze Kirche mit all ihren Fehlern und Schwächen, aber auch mit ihren wunderbaren Seiten in Zukunft aussehen und bestehen wird. Wenn Christus die Mitte unseres Lebens bleibt oder wieder wird, dann wird unser Glaube Berge versetzen können und unser Leben zum Leuchten bringen.
Und das wünsche ich uns allen, hier in der Gemeinde in Schönfeld-Weißig, in Frankenberg, wohin wir zurückziehen, und an jedem anderen Ort, wo wir sein werden.
In diesem Sinne bleibt diesem lebendigen Herrn zugewandt und bringt Euch auch in Zukunft zusammen mit Eurem neuen Pfarrer oder Pfarrerin in die Gemeinde ein mit den Gaben, die Euch Gott geschenkt hat.
Meine Frau Christiane und ich, wir werden mit Euch verbunden sein, auch wenn wir nicht mehr so eng beieinander leben.
Bleibt behütet – Gott gebe Euch seinen Segen!
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Monatsspruch Juli Matthäus 5, 44+45
Dieser Satz ist ein zentraler Teil der Bergpredigt Jesu. Überall kamen Menschen zu ihm, weil er Kranke heilte und sich den einfachen Leuten zuwandte.
Aber vor allem waren es seine Worte, die sie faszinierten. Und doch waren diese keine leichte Kost, die er auf einem Berg zu ihnen redete. Und das wohl Provokanteste war mit Sicherheit dieser Satz, wo er von der Liebe zu den Feinden sprach und dass man für sie beten solle.
Ich vermute, dass diese Worte auch uns heute immer noch schwer im Magen liegen, wenn wir sie hören und noch mehr, wenn wir das in unserem Alltag umsetzen wollten. Was ist mit all den brutalen Herrschern, die in der Geschichte und bis heute immer wieder die Menschen quälten und sie in unendliches Leid stürzten? Wie ist das gemeint mit der Feindesliebe, wenn es doch aus unserer menschlichen Sicht kaum denkbar ist?
Es ist hier nicht die Liebe gemeint, die man in einer Partnerschaft, in der Familie und zu Freunden empfindet. Jesus meint eine Liebe, die uns mit allen Menschen der Erde verbinden sollte, weil sie, wie wir auch, Gottes Geschöpfe, seine Kinder sind. Und dazu gehören auch die, die Böses tun. Es gibt keine Menschen, die davon frei sind. Die Bibel spricht von Sünde oder Schuld. Ein Zustand, der da ist, weil wir Menschen von Gott getrennt, Dinge tun, die anderen und damit auch uns selbst Schaden zufügen. Natürlich gibt es da große Unterschiede in dem, was einer tut, und Menschen müssen sich auch vor Hass und Gewalt schützen. Das ist keine Frage. Aber Jesus weiß, dass die Welt und damit unser Leben nur besser wird, wenn man nicht Hass mit Hass begegnet, sondern versucht Menschen, die aus innerer Leere, Lieblosigkeit, Überforderung oder Angst anderen Leid zufügen, einen anderen Weg aufzeigt und ihnen wo es geht eine Chance gibt, sich zu ändern. Wie schwer das ist, erleben wir selbst oft gar nicht so sehr im Großen der Weltpolitik, sondern schon ganz nah in unserer Umgebung, in der Schule, auf Arbeit und im ganz normalen gesellschaftlichen Alltag. Menschen stehen sich oft unversöhnlich gegenüber, selbst in unseren Kirchgemeinden. Jesu aber will, dass wir lernen, diese Mauern zwischen uns zu überwinden. Und dabei ist schon ein Anfang gemacht, wenn ich versuche, für Jemanden zu beten, mit dem ich innerlich zerrissen bin. Das Gebet gibt mir die Kraft, mit den Augen Gottes auf diesen Menschen zu sehen, der mehr sieht als ich, der weiß, warum ein Mensch so ist, wie er ist.
Aber noch besser ist es natürlich, wenn man auch wieder einen direkten Weg zu diesem Menschen findet, sich mit ihm aussöhnen kann, damit diese Wunde nicht weiter Schmerzen bereitet und das Leben belastet, sondern heilen kann.
In unserer Gemeinde haben wir im Rahmen einer Initiative der Nagelkreuz- und Schwestergemeinde Hosterwitz das Projekt „Versöhnungsdecke“ gestartet. Viele Frauen unserer Gemeinde haben sich beteiligt und einzelne Teile gestrickt, die dann noch zu einer großen Decke zusammengefügt werden (Titelbild).
In ihrer Buntheit symbolisiert sie die Vielfältigkeit unserer Gemeinde und die Möglichkeiten, die sich auftun, wenn man zusammensteht und jeden so akzeptiert, wie er ist, mit guten Seiten wie auch mit Fehlern und Schwächen.
Und so soll diese Decke zu besonderen Gelegenheiten zum Einsatz kommen, wo sich unsere Gemeinde versammelt auch über ihre Grenzen hinaus. Sie wird eine Sitzgelegenheit bieten, wo man sich treffen und miteinander ins Gespräch kommen kann. Und das nicht nur, um sich zu versöhnen, sondern einfach auch um sich kennenzulernen und voneinander zu erfahren.
Wenn sie dann zu unserem Gemeindefest auf einer Bank zu sehen ist, dann nutzt reichlich diese Möglichkeit zu dieser etwas anderen Begegnung.
Darauf wird Segen liegen!
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Genesis 16,13
Gedanken zur Jahreslosung 2023
Du bist ein Gott, der mich sieht: Als dieses Wort aus der Genesis im Februar 2020 – noch knapp vor der Ankunft der Pandemie – zur Jahreslosung 2023 bestimmt wurde, hieß es, man sei bei der Wahl selten so einig gewesen wie dieses Mal. Offenbar gab es das Empfinden, dass diese Aussage einen Nerv der Zeit trifft. Aber welchen? Die Angst, unterzugehen in Anonymität? Die Sehnsucht, wahrgenommen, gesehen zu werden im Hamsterrad einer Welt, die sich unaufhörlich verändert und beschleunigt? Fand man, dieses Wort über Gott, gesprochen von einer Frau in prekärer Lage, verbreite Wärme und Geborgenheit? Aber Vorsicht an der Bahnsteigkante! Du bist ein Gott, der mich sieht: Man kann das auch sehr anders hören.
Dann verliert der Satz seine Wärme und Freundlichkeit. Gott als big father is watching you. Mit dem Bild eines nie weg-, sondern immer hinsehenden Gottes wurden über Generationen in sehr gläubigen Milieus seelische Verheerungen angerichtet. Ja: Es gibt nicht nur den von Gott unter seinem fürsorglichen Blick geschützten Raum. Es gibt auch – zumindest als ein sehr menschliches Bedürfnis – den vor Gott geschützten Raum, wo ich mit all meinen Schatten unbehelligt bleiben kann. Die Worte der Jahreslosung taugen nicht für fromme Erbaulichkeit. Schon gar nicht, wenn ich ihre bildliche Umsetzung auf mich wirken lasse: Ein stilisierter Globus aus zahllosen Fenstern, aus denen mich – fröhlich, nachdenklich, auch elegisch – Gesichter aller Altersgruppen und Hautfarben anblicken. Wer wird da nicht an die „Kacheln“ erinnert, die uns Zoom & Co. in Pandemiezeiten als neue Normalität des Miteinanders beschert haben. Die Vieldeutigkeit dieser Darstellung spricht mich an, weil in ihr die Ambivalenz der Jahreslosung mitschwingt. Sie verströmt Buntheit und Leichtigkeit – einerseits. Aber die Vielfalt bleibt doch statisch. Die vielen Gesichter kommen nicht in Verbindung miteinander, bleiben in ihrer Kachel gefangen. Bei „Zoom-Gottesdiensten“ hatte ich oft die Empfindung, dass ich die Gesichter der Menschen intensiver wahrnehmen kann als bei realen, „analogen“ Veranstaltungen. Ich weiß aber, dass auch ich „in der Kachel“ genauer gesehen und gemustert werde. Will ich das? Ich meine, diese Zweideutigkeit lässt sich nicht auflösen. Auch nicht mit Blick auf unser Gottesbild. An Gott glauben, in einer Gottesbeziehung leben, fordert mich immer wieder heraus, eine bekömmliche Balance zu finden zwischen dem Bedürfnis, von Gott gesehen zu werden, und dem Bedürfnis nach Intimität, das es auch Gott gegenüber geben darf. Etwas ist mir jedenfalls wichtiger, als dass Gott mich allezeit und überall sieht: nämlich dass er mich schon sah, als ich noch gar nicht zu sehen war, dass er schon an mich gedacht hat, als an mich noch gar nicht zu denken war. Also: dass Gott mich erfunden hat. Paul Gerhardt hat das in einem Weihnachtschoral sprachlich und inhaltlich unübertroffen genau und schön ins Wort gebracht:
Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.
(EG 37,2)
So lasse ich mir den Gott, der mich sieht, gern gefallen.
Markus Engelhardt
© Agentur des Rauhen Hauses Hamburg 2022
Monatsspruch Dezember: Jesaja 11,6
Könnt Ihr Euch noch erinnern, es ist schon über 30 Jahre her, dass wir mit solchen Kerzen wie auf dem Titelbild aus den Kirchen kamen. Es war eine Zeit des Umbruches und der Entscheidung. Wohin würde das Leben gehen – in die Freiheit mit der Möglichkeit, das Leben in ganz neuer Weise zu gestalten? Oder würde es noch tiefer versinken in eine Diktatur, die Menschen entmündigt und ihnen die Luft zum atmen nimmt ohne Aussicht auf ein selbstbestimm-tes Leben? Damals kamen wir mit tausenden Menschen aus den Kirchen, wo wir uns versammelten, um auf die Stimme Gottes zu hören und zu ihm zu beten, dass diese friedlichen Proteste ohne Blutvergießen enden mögen. Die Kerzen waren damals ein Symbol der Nähe Gottes, der mit uns auf die Straße ging und uns die Kraft gab, die Angst zu überwinden – der uns aber auch lehrte, nicht dem Hass auf die Machthaber Raum zu geben. Heute erlebe ich, dass Menschen auf die Straße gehen, weil sie wieder Ängste haben vor dem, was die Zukunft bringt. Zu viel stürzt auf jeden ein und sicher geglaubte Lebensziele sind nicht mehr sicher. Doch der Ort, wo man sich Rat holt und sich orientiert ist nicht mehr im Gebet bei Gott und in den Kirchen. Viele suchen ihn im Internet, wo Menschen sich einander aufwühlen in ihren Ängsten und ihrem Suchen nach Schuldigen, die das alles verursacht haben. Und dann geht man auf die Straße, nicht mit Kerzen und dem Frieden Gottes im Herzen, sondern mit Wut und Hass auf alle, die anders denken und die Verantwortung tragen in Politik und Gesellschaft.
Liebe Leser des Gemeindebriefes,
nicht nur das Bild auf der Titelseite mit den Wünschen von Tina Willms wollen uns unseren Blick wenden lassen von all dem, was nur Unfrieden bringt. Das Bild, dass der Prophet Jesaja uns im Monatsspruch zeigt, ist nicht nur eine Vision eines unheilbaren Optimisten, sondern es ist ein Lebensbild, wie Gott es einmal für uns Menschen gedacht hat und immer noch denkt. Und das Gute daran ist, es ist nicht nur eine Vision, sondern wird schon jetzt von Menschen erlebt, die sich mit ihrem ganzen Leben diesem Jesus anvertraut haben, der vor über 2000 Jahren so klein und schutzlos in Bethlehem geboren wurde. Die Raubtiere stehen für Menschen, die in der Vergangenheit viel Schlimmes erlebt und selbst getan haben, bevor sie von Jesus auf einen völlig neuen Weg gebracht wurden. Menschen, die vorher nur Hass kannten, haben auf einmal erfahren, was es bedeutet, geliebt zu werden und jemand lieben zu können. Es ist dieses Wunder, das man auch im ganz normalen Alltag erfahren kann, wenn man sich darauf einlässt, einen Menschen einfach nicht mehr zu verachten oder gar zu hassen, sondern für ihn zu beten und zu hoffen, dass auch ihn Gottes Liebe erreicht. Ist das naiv? Ich denke nicht. Denn es ist diese Liebe, die Gott selbst bewogen hat, als kleines, schwaches Kind in die Welt zu kommen, um Menschen mit all ihren Wunden zu heilen und Frieden in ihr Herz zu geben. Jetzt ist sein Friedensreich noch klein und lebt oft nur im Verborgenen. Aber es ist da und verwandelt jeden, der sich diesem Licht, diesem Kind öffnet, jeden Tag ein Stück mehr. Diesen Frieden wünsche ich uns allen, auch und gerade, weil die Welt noch nicht friedlich ist. Denn bei uns fängt es an.
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Das ist das Motto der diesjährigen Friedensdekade. In den letzten Jahren ist diese besondere Form des Gebetes für den Frieden in unserer Gemeinde in den Hintergrund geraten. Vielleicht, weil uns das Thema trotz vieler Kriege in der Welt nicht so nahe war wie andere Themen. Doch nun ist es wieder nah und nicht nur der Krieg in der Ukraine gibt uns Anlass, darüber nachzudenken, wie man sich unter dieser unverhofften Bedrohung, die uns zwar noch nicht direkt
betrifft, aber doch in entscheidender Weise unseren Alltag erschwert, verhalten kann. Auch die Pandemie, die uns schon seit zwei Jahren in Atem hält, hat dazu geführt, dass Menschen in unserer Gesellschaft gegeneinander stehen und aufhören, miteinander zu reden, Kontakt zu halten. Zu festgefahren sind die Fronten über den Umgang mit dieser Krankheit und das bis heute. Fast jeder kennt in seinem Bekannten- und Freundeskreis jemanden, der sich zurückgezogen oder abgesondert hat, weil er andere Positionen vertritt als man selbst.
Liebe Leser unseres Gemeindebriefes,
das Bild auf der Vorderseite von Wassily Kandinsky, in Moskau geboren und einige Zeit am „Bauhaus“ gewirkt, spiegelt für mich etwas wider, was dem Wort „Zusammenhalt“ sehr nahe kommt. Die unterschiedlichen Kreisformen und Farben
spiegeln die Vielfalt an Kulturen, Nationen, Religionen und verschiedenen Menschen in einer modernen, pluralistischen Welt wider. Sie sind in ihrer Unterschiedlichkeit alle Teil der einen Welt und nur einzelne wenige Kreise sind für sich. Alle anderen leben in einer Symbiose zusammen, in der es unweigerlich zu Überlagerungen kommt. Jeder findet seinen Platz mehr in der Mitte oder etwas weiter abseits, so wie es für ihn richtig ist. Und doch gehören alle zu einem Kosmos, einer Erde, die nur begrenzten Raum hat. Würde man alle Kreise auseinanderhalten wollen, gäbe es ein heilloses Aneinanderreiben mit gegenseitigen Verletzungen. „Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.“ – so schreibt Paulus in seinem Hebräerbrief. Natürlich brauchen wir den Schutzraum unserer kleinen Familien- und Freundeskreise. Und darüber hinaus gibt es die Dorf- oder Stadtgemeinschaft und die einer ganzen Nation. Aber in früheren Zeiten haben unsere Vorfahren auch erlebt, wie einengend und kleingeistig sie oft leben mussten, als das alles noch sehr voneinander getrennt war, immer mit der Angst vor dem Fremden, dem Feind
von außen, vor dem man gezwungen war, sich zu schützen. Wie anders klingt es da bei Paulus, der den Zusammenhalt, die Achtsamkeit nach innen und die Liebe und gute Werke nach außen in den Mittelpunkt stellt.
Es ist das, was Christus gelebt hat, wenn er den Knecht eines römischen Hauptmanns heilte, wenn er sich mit ausgestoßenen, unreinen, schuldbeladenen und fremden Menschen abgab und all seine Liebe an die verschenkte, die er zuvor nicht gekannt hat. Das Bild der Kreise bringt für mich genau diese Welt Jesu zum Ausdruck, eine Welt, in der ich gerne leben möchte. In der Menschen sich verändern, wenn sie voneinander lernen, ohne den anderen zur eigenen Lebensweise zwingen zu wollen. Ein Zusammenhalt, der nicht ohne Konflikte sein wird, die aber mit Liebe und gegenseitigem Respekt gelöst werden können. Vielleicht gelingt das noch nicht mit allen Menschen, die eine andere Lebenseinstellung haben und immer noch auf das Recht des Stärkeren setzen. Aber wir können doch in unserem Umfeld versuchen, damit anzufangen. Und ist es nicht ein wunderbarer Zufall, dass unter den Kreisen die zwei Bänder, die über unsere Lebenswelt hinausweisen, in den Farben der ukrainischen Flagge gestaltet sind?
So lasst Euch einladen zu den Abenden der Friedensdekade, dass wir mit den Geschwistern unserer Schwestergemeinden und anderen Interessierten über Wege des Friedens, des Zusammenhaltes nachdenken und zusammen beten. Gemeinsam mit Gottes Hilfe können wir mehr verändern als allein!
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Ich habe dieses Bild immer wieder vor mir, wenn ich diesen Psalmvers lese, der vor unserem Monatsspruch für Juli steht. Der Hirsch ist groß aufgemalt auf einem Fenster meiner Heimatkirche in Neudorf. Und man kann den Ton förmlich hören, wenn man sein offenes Maul betrachtet, das sich zum Himmel emporstreckt. Und wer das schon einmal erlebt hat, z.B. auf einer längeren Bergtour, wo es kein natürliches Wasser mehr gibt und der eigene Vorrat aufgebraucht ist – der kennt dieses Gefühl, am Verdursten zu sein. Wenn wir verstehen wollen, was uns der Monatsspruch zu sagen hat, dann müssen wir diesen ersten Vers mitdenken.
Das Schreien der Seele, das Lechzen nach etwas, das vor dem innersten Durst retten kann, macht die Dramatik deutlich, in der der Psalmbeter steht. Ihm geht es nicht gut und andere machen sich über ihn lustig und fragen: „Wo ist nun dein Gott?“ „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ Von Gott erwartet er sich Hilfe und Trost in einer für ihn ausweglos erscheinenden Lage: Er fühlt sich missverstanden und bedroht, ist traurig und deprimiert. Sein Glaube an den einen lebendigen Gott wird von anderen infrage gestellt und er selbst ist wohl auch von Zweifeln geplagt. „Hat Gott uns vergessen?“ „Hat Gott mich vergessen?“ So haben wir in manch schlafloser Nacht wohl auch schon gefragt, wenn Sorgen und Ängste uns nicht zur Ruhe kommen lassen oder auch angesichts von sich häufenden beängstigenden Nachrichten über einen Krieg, der nicht wie sonst weit weg stattfindet. Ja, es ist wahr – wenn der Mensch sich zu Gott macht, dann besitzt er für kurze Zeit auch die Macht, das Leben anderer Menschen zu zerstören, ihnen unsägliches Leid zuzufügen. Selbst Gott muss oft zusehen, was wir Menschen aus der von ihm geschenkten Freiheit machen; wozu wir sie missbrauchen. Und dennoch – in all den Ängsten, Leid und Tod will er für die zur Wasserquelle und Kraft werden, die ihm vertrauen und über allem Zweifel bei ihm bleiben. „Was betrübst du mich, meine Seele und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“ Dieses Gebet wiederholt er immer wieder und es ist wie ein Fels in der Brandung. Liebe Gemeinde, manchmal gibt es Situationen im Leben, da bleibt nur noch das flehentliche Rufen zu Gott, weil alle anderen Sicherheitsvorkehrungen und -mechanismen nicht mehr greifen. Doch achten wir das nicht als wenig oder belanglos. Es gibt so viele Erfahrungen von Menschen, die in völligem Chaos und schwersten Zeiten einen Frieden geschenkt bekamen, der für andere Menschen unerklärlich war. Ich denke an Bonhoeffer, der selbst im Gefängnis auf den Tod wartend noch andere Gefangene trösten konnte. Ich denke an Martin Luther, der voller Angst vor Kaiser und päpstlichem Tribunal sagen konnte: „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Ich widerrufe nichts, was ich geschrieben habe.“ Und das dürfen wir auch erleben, wenn wir über allen Zweifel hinweg mit Gott ringen und unserer Seele Vertrauen abfordern, wie es der Psalmbeter tut:
„Harre – bleib fest – meine Seele bei Gott, dann
wird die Zeit kommen, wo ich ihm danken werde,
dass er mir Kraft gegeben hat.“
„Da wohnt ein Sehnen tief in
uns, o Gott, nach dir,
dich zu sehen, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück,
nach Liebe, wie nur du sie gibst.“
Ich wünsche uns allen diesen inneren Frieden in
friedloser Zeit!
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Johannes 20, 18
Was erwarten wir von Ostern? Welche Bedeutung hat dieses Fest der Auferstehung Jesu in unserer jetzigen Zeit? Menschen sterben oder werden verletzt, müssen fliehen aus ihrer Heimat, ihrem zu Hause, ihrem Leben. Andere betreiben ihre Machtspiele vom sicheren Ort aus und spielen Gott. Dabei wissen sie gar nicht, wie Gott wirklich ist. Denn Gott selbst ist einen ganz anderen Weg gegangen. Er hat seine Macht gezeigt in der bedingungslosen Liebe seines Sohnes Jesus Christus. Seine Botschaft richtete sich sicher nicht gegen ein nötiges staatliches Gewaltmonopol, ohne das es kein friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft geben würde. Aber Jesus versuchte bei allem, was er tat, zu zeigen, dass der wirkliche und umfassende Frieden aus der Liebe Gottes entspringt. Jeder Mensch ist ein geliebtes Geschöpf Gottes, egal, was jemand getan hat. Doch wir wissen auch aus der Bibel, dass wir uns einmal vor Gott verantworten müssen. Deshalb ist für uns die Botschaft von Karfreitag und Ostern so wichtig: Gott lässt sich in Jesus ans Kreuz schlagen, weil die Schuld, die wir Menschen auf uns laden, anders nicht aufhört, uns zu beherrschen. Für uns ist das Kreuz ein Symbol des Todes, aber durch Jesus wurde es ein Lebenszeichen. So sehen wir es auf dem Titelbild. Im letzten Jahr schmückte dieses Kreuz unsere Kirchen. Das Kreuz – das vielfache, unschuldige Leid von Menschen ist noch da, weil Menschen anderen Menschen Leid zufügen. Wir sehen auch die Klagemauer, die heute sicher wieder viele Klagen und Gebete aufnehmen müsste. Aber noch mehr Zettel sollte sie bekommen, auf denen wir aufschreiben, wo wir selbst Schuld aufgeladen und anderen Leid zugefügt haben, vielleicht unbewusst und ohne Vorsatz. Und dann kann etwas geschehen, dass man mit Worten kaum beschreiben kann – es kann Ostern werden! Das Grab ist leer – das Leben hat gesiegt. So wie die Blumen auf dem Kreuz zeigen, dass das Leben nichts aufhalten kann! Wir sehen jetzt die übergroße Hilfsbereitschaft bei uns und in vielen andren Ländern. Eine Hilfsbereitschaft, die das Wunder in sich tragen kann, dass unsere zerstrittene Gesellschaft wieder zusammenfindet. Es zeigt sich, dass die Liebe ein großes Potential hat, das Leben von Menschen zu verändern. Doch wir wissen auch, dass diese Lebensenergie schnell wieder aufgebraucht sein kann, wenn man beginnt, auf das zu sehen, was man vielleicht an eigenen Lebensmöglichkeiten verlieren könnte, wo man sich einschränken müsste und die Angst wieder aufkommt, dass mein bescheidener Wohlstand in Gefahr ist. Aus diesem Kreislauf der Angst kann uns nur befreien, wenn wir auf das Kreuz sehen und darauf, was Gott bereit war, zu geben, damit wir leben können. Liebe ohne Opfer gibt es nicht. Aber am Ende bleibt ein Gewinn fürs Leben. Das spürt jetzt jeder, der in irgendeiner Weise hilft, sei es durch finanzielle, materielle bzw. praktische Unterstützung oder durch seine Gebete. So lasst uns in diesen Tagen weiter besonders die Menschen im Blick haben, die unter der Gewalt des Krieges zu leiden haben. Aber lasst uns auch für die beten, die zu Tätern geworden sind und so viel Schuld auf sich laden. Für alle ist Christus gestorben – auch für uns. Aber noch viel mehr bringt er Auferstehung und das Leben, das nichts und niemand aufhält. Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden – für dich und für mich – für uns alle! Ostern ist da!
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.
Johannes 6, 37
Wenn man vor solch einer Klingelanlage steht, wie wir sie auf der Vorderseite sehen, dann bedeutet das, dass man jemandem einen Besuch abstatten will, oder man hat ein Anliegen, bei dem man hofft, dass der Bewohner hinter dieser Tür einem helfen kann. Wie wohltuend ist es, wenn sich dann die Tür auftut und jemand mich mit offenen Armen begrüßt. „Herzlich willkommen – ich habe schon auf dich gewartet. Schön, dass du da bist.“ Es tut gut, freundlich empfangen zu werden, eine Tasse Kaffee oder Tee zu bekommen und ein offenes Ohr zu finden. Und wenn ich mich dann wieder verabschiede, das Gefühl zu haben: etwas hat sich verändert, etwas ist anders als vorher. Der Gang ist leichter und dieser Tag hat auf einmal etwas frohes und Beschwingtes an sich. Diese Begegnung hat gut getan.
Willkommen zu sein und angenommen, so, wie ich bin, das ist der Nährstoff unseres Lebens. Kein Mensch kann nur für sich leben. Jeder braucht solche Türen, wo er klingeln kann und jemand öffnet, der mich mit offenen Armen empfängt.
In den letzten zwei Jahren mussten viele Türen verschlossen bleiben. Und wenn sie geöffnet wurden, dann konnten nur die Augen das Lächeln übernehmen, weil der Mund hinter Masken verborgen war und immer noch ist. Und wie fehlen die Umarmungen, die sonst geradezu heilende Wirkung haben!
Wie gut tut es da, in unserer neuen Jahreslosung zu hören, dass es da eine Tür gibt, die immer offen bleibt. „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“, so sagt es Jesus im Johannesevangelium. Da ist jemand, der über alle notwendigen Abstandsregeln und Vorsichtsmaßnahmen hinweg seine Arme offen hält und auf uns wartet. Und dort, wo wir uns in seine liebenden Arme begeben, spüren wir einen Frieden in uns. Er verändert zuerst uns selbst und gibt uns dann die Kraft, auch untereinander wieder unsere Türen zu öffnen, die in letzter Zeit verschlossen wurden. Wir erleben gerade schmerzlich, dass uns nicht die Masken oder die Frage nach dem Sinn einer Impfung voneinander trennen, sondern die fehlende Bereitschaft, miteinander zu reden und aufeinander zu hören. Wenn Christus uns zu sich einlädt, dann gilt das nicht nur für jeden von uns ganz individuell, sondern auch für uns als seine Gemeinde, die in ihm verbunden ist. Bei ihm wie auch unter uns, dürfen wir alles vorbringen, was uns beschäftigt. Wir dürfen unsere Ängste in Bezug auf die Pandemie aber auch auf die Impfungen aussprechen. Wir können unsere Fragen benennen. Und dort, wo wir keine Antwort finden, dürfen wir sie gemeinsam vor Jesus bringen.
Wir können miteinander lernen, Behörden und politisch Verantwortliche an manchen Stellen kritisch zu hinterfragen, ohne den Respekt und die Achtung vor ihnen zu verlieren. Und wir müssen als Christen allem entgegentreten, was Hass und Gewalt sät, vor allem in den Gedanken der Menschen.
Das alles können wir nicht aus uns heraus. Jesus lädt uns ein, bei ihm das zu erbitten, was uns dazu befähigt. Wenn wir ihm unser Leben anvertrauen, dann werden wir diese herausfordernde Zeit nicht nur selbst gut überstehen, sondern auch vielen Menschen neben uns etwas von dem weitergeben, was wir den „Segen Gottes für unser Leben“ nennen.
Möge uns dieser Segen durch dieses Jahr begleiten. Manchmal braucht es nur einen Klingelknopf, den wir betätigen müssen, und die Tür wird sich auftun ...
„Herzlich willkommen“ – du sollst gesegnet sein!
Pfarrer Wilfried Fritzsch
Lukas 2,8-20
Heute am Heiligen Abend möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte von Hoffnung erzählen, die ich gelesen habe. Sie beginnt, wie fast alle Hoffnungsgeschichten beginnen, mit einer großen Not. Das ist oft so: Not und Hoffnung gehören zusammen wie Tag und Nacht. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Das weiß auch Moschir.
Moschir ist 15 Jahre alt und lebt seit sechs Jahren mitten im Krieg. Fast sein halbes Leben schon muss er mit ansehen, wie die Häuser und Straßen immer mehr zerstört werden. An die Trümmer um ihn herum hat er sich also längst gewöhnt. Die Stadt, in der Moschir lebt, heißt Sanaa und ist die Hauptstadt des Jemen. Das Land liegt im Süden der arabischen Halbinsel. Moschir liebt seine Stadt und leidet darunter, dass alles kaputt gemacht wird aus Gründen, die er schon lange nicht mehr versteht.
Deswegen hat er sich etwas ausgedacht: Er baut seine Stadt einfach wieder auf. So wie sie einmal ausgesehen hat – vor dem Krieg.
In seinem Zimmer lässt er Sanaa wieder heil werden. Aus Pappkartons, Holzresten und den Dingen, die er auf der Straße findet, baut er modellgetreu die Häuser nach. Wunderbar sieht diese Stadt aus. Moschir gibt die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann wieder Friede wird. Und bis es so weit ist, baut er. Er baut auf Hoffnung hin. Auf Hoffnung hin bauen ist etwas anderes, als einfach so zu tun, als wäre alles gut. Moschir kennt die Wunden seiner Stadt und der Menschen ganz genau. Er sieht sie jeden Tag und sieht sie genau an. Aber statt sich dem Leid ohnmächtig hinzugeben, erschafft er etwas Neues. Mit jedem Steinchen und jedem kleinen Ziegel, den er in seinem Zimmer zusammenbaut, wächst die Hoffnung. Sie wird größer, sichtbarer und trägt Moschir über viele dunkle Stunden hinweg. Das kann eben nur die Hoffnung. Sie verbindet uns mit einer Welt, von der wir fühlen, dass es sie geben kann, auch wenn sie noch nicht so ist.
Liebe Gemeinde,
wie dankbar können wir sein, dass wir nicht in solch einem Kriegsgebiet leben müssen. Die älteren unter uns werden es immer wieder einmal vor Augen haben, wie das damals war, als ihre Welt hier in Deutschland und ganz Europa in Trümmern lag. Sie empfinden die Gegenwart heute immer wieder als ein großes Geschenk, das man nicht hoch genug bewerten kann. Und doch gibt es auch jetzt viele unter uns, die manche Sorgen umtreibt. Ob es liebe Menschen sind, die krank sind oder um die man schon trauern muss, weil sie den Kampf verloren haben, ob es Existenzsorgen sind, die einen nicht mehr schlafen lassen oder die momentanen Einschränkungen in unserem Leben, mit denen manche nicht mehr klar kommen. Am Ende kann man die schweren Zeiten der Vergangenheit und die Nöte von Menschen heute nicht gegeneinander aufrechnen. Beide treffen auf verschiedene Weise die Grundfesten unseres Lebens.
Doch heute, am Heiligen Abend, versuchen wir doch von all dem einmal etwas Abstand zu gewinnen – einmal alles hinter sich lassen, bei der Familie sein, gut essen und sich gegenseitig beschenken. Und hier der Besuch der Vesper, der gehört auch mit dazu. Und ich erlebe das auch so. Besonders in Krisenzeiten haben die Familie, Freunde und mit ihnen bestimmte Rituale eine große Bedeutung. Man ist nicht allein, kann sich austauschen und Rat holen, auch miteinander trauern oder sich freuen, je nach dem, wie einem gerade zu Mute ist. Und nicht zuletzt diese wunderbare Geschichte, die wir hier in der Heiligen Nacht in der Kirche hören, sie hat etwas an sich, dass einen für einen Moment alle Probleme vergessen lässt. Aber, sie werden mir auch recht geben: so schön diese Tage, zumindest für die meisten, sind. Viel zu schnell holt einem der Alltag wieder ein und alles ist so wie zuvor.
Also, worum geht es in der Geschichte von Moschir, der nach wie vor im Krieg leben muss und von all den anderen Menschen, die schwere Zeiten durchmachen. Ist da überhaupt so etwas wie Hoffnung, Trost, oder gar Freude möglich? Was ist das Rezept für ein glückliches Leben, wenn es so viel Schweres zu tragen gibt?
„Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“
Wir haben diese vertrauten Worte vorhin gehört. Da wird von einem Kind erzählt, dass in einer Futterkrippe liegen soll, aus dem sonst die Tiere fressen. Und schließlich singt ein großer Engelchor, der Gott die Ehre gibt, weil er Frieden bringt in eine friedlose Welt. Diese Geschichte ist den meisten von uns so vertraut, dass man die Worte auswendig nachsprechen kann. Manch einer oder eine von uns hat sie selbst schon im Krippenspiel so nachgesprochen oder in übertragener Form den Zuhörern vermittelt. Und im Grunde wollen wir jedes Mal, wenn wir diese Geschichte zu Weihnachten hören, uns genau das vorstellen, wie romantisch das damals gewesen sein muss – dieser anschließende Weg über die Felder nach Bethlehem bis hin zu diesem Stall, der vom Licht des Kindes überstrahlt ist.
Unser altes Transparent auf dem Altar, dass wir in diesem Jahr auch auf unserem Gemeindebrief gedruckt haben, bringt ja diese Vorstellung trefflich zum Ausdruck. Und ich finde das auch durchaus passend. Allerdings muss man wissen, dass diese Darstellung mit Sicherheit nicht die äußere Erscheinung des Geschehens wiedergibt, sondern das, was die Hirten im tiefsten Inneren empfunden haben. Wir können nur erahnen, wie die Hirten die Verkündigung der Engel damals erlebt haben, ob es eine Erscheinung war für alle sichtbar oder ein Traum. Aber es war auf alle Fälle ein Erlebnis, das sie ihr ärmliches Dasein völlig vergessen ließ und sie nicht anders konnten, als sich auf den Weg zu machten. Und ich vermute, dass dann auch das, was sie da in Bethlehem vorgefunden haben, alles andere als romantisch war. Diese notdürftig hergerichtete Hütte, die kaum Schutz und Wärme geboten hat, wird wenig Heimeligkeit versprüht haben. Aber das Kind selbst muss etwas ausgestrahlt haben, dass das Herz der Hirten in einer Weise erwärmte, wie sie es noch nie erlebten.
Äußerlich war also alles wie immer. Sie bekamen keinen anderen Job, der besser bezahlt wurde. Sie bekamen keine neuen Kleider oder ein festes Haus, in dem sie etwas geschützter vor den Unbilden der Natur wären. Es war alles, wie es immer war.
Aber innerlich verändert sich alles. Die Hirten haben etwas erkannt, was ihr Leben veränderte. Sie haben die Nähe Gottes gespürt, an Körper und Seele und ein Gefühl der Geborgenheit bei Gott, der sich in diesem Kind gezeigt hat, wie sie es noch nie erlebt haben. Das macht den Unterschied in dieser Heiligen Nacht. Sie wissen sich gesehen, wahrgenommen, ernst genommen. Gott selbst nimmt sich ihrer Furcht vor dem Leben an und trägt sie. Gott selbst ist in ihr ärmliches Leben gekommen und hat es reich gemacht. Aber es ist kein Reichtum, den man mit Gold aufwiegen kann.
Darum kommen wir so gerne zur Krippe, jedes Jahr wieder. Weil wir hören wollen, wie Gott zu uns sagt: Fürchte dich nicht. Gott trägt dich. Du lebst nicht allein und ziellos im leeren Raum; du bist von einer Liebe umgeben, die stärker ist als das, was dein Leben klein machen will. Es ist eine Stärke, die auch noch da ist, wenn vieles andere, was mich sonst getragen hat, nicht mehr zur Verfügung steht. So wie bei Moschir, dessen Leben, was er vor dem Krieg hatte, ganz verloren ist, und der doch in schier aussichtsloser Lage dem Chaos ein Hoffnungszeichen entgegensetzt - eine Stadt, wie sie einmal wieder sein wird, und in der alle Menschen in Frieden leben können.
Vielleicht wird manch einer unter uns jetzt sagen: Das ist mir zu wenig. Wenn es Gott wirklich gibt und er damals als Kind auf die Welt gekommen ist, warum hat er dann nicht alles Leidvolle aus unserem Leben genommen? Dann wird dir Jesus sagen:
Fang du selbst heute gleich damit an, das Leid von Menschen in deiner Umgebung zu lindern.
Fang in deiner Familie an und versöhne dich mit deinem Bruder, deiner Schwester, deinen Eltern oder Kindern.
Versuche, einem Menschen, der einsam ist, etwas von deiner Zeit zu schenken.
Gib acht auf deine Umwelt, die dich umgibt, dass sie auch noch deinen Kindern Lebensraum bieten wird.
Liebe Festgemeinde,
Nirgends sehen wir besser als bei dem Kind in der Krippe, wie Gott unsere Welt, unser Leben verändern will. Wir dürfen uns geliebt wissen in einer Weise, wie es größer nicht sein kann. Aber es kann nicht dabei bleiben, dass wir diese Liebe nur für uns beanspruchen und dabei stehen bleiben. Wenn Gottes Friedensreich wachsen soll, dann ist jeder von uns gefragt, daran mitzuwirken. Moschir hat eine kleine Stadt der Hoffnung gebaut.
Und was ist Dein Hoffnungszeichen, das du bauen kannst? Finden wir es heraus – das Kind wird uns dabei helfen.
Amen
Monatsspruch für Dezember
„Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr.
Sach. 2,14
Eigentlich sollten wir jetzt in heimlicher Vorfreude und mit geschäftigem Treiben unterwegs sein. Es ist Advent, das Weihnachtsfest ist nicht mehr weit, und da gehört das irgendwie auch dazu. Auf der anderen Seite sollte diese Zeit auch zu Ruhe und Besinnung einladen, in der man sich auf das Kommen Jesu, auf die Geburt des Herrn vorbereitet. Aber dies alles scheint kaum richtig möglich zu sein. Die erneuten Einschränkungen durch die nicht enden wollende Pandemie lassen so gar keine Stimmung aufkommen, wie sie sonst mehr oder weniger doch dazugehörte. Wie gern würden wir das Fest wieder so unbeschwert feiern, wie noch vor 2 Jahren mit den Gottesdiensten im Advent, den Krippenspielen am Heiligen Abend, den Konzerten und mit den vertrauten Liedern.
Ich denke, das Bild auf der Vorderseite, ein Ausschnitt aus dem Weihnachtstransparent in Weißig, ist ein Spiegel dessen, was Weihnachten für uns eigentlich bedeutet. Aber kann die Botschaft, die das Bild zu uns bringt, überhaupt bei uns ankommen, wenn vieles von den vertrauten Dingen in dieser Zeit nicht sein kann? Darüber hinaus machen sich viele Menschen Sorgen, ob sie ihr Leben so weiterführen können wie bisher, oder manches davon sogar wegbricht. Aber vielleicht sehen wir auf dieses Geschehen einmal aus einer anderen Perspektive. So schwer diese Zeit für uns auch ist, sie öffnet doch in einer ganz neuen Weise den Blick dafür, was uns das Weihnachtsgeschehen eigentlich sagen will. Denn eigentlich gab die urspüngliche Geschichte kaum Anlass, sich gemütlich auf das weiche Sofa zu setzen und es sich mit Glühwein und Spekulatius gut sein zu lassen. Sehen wir doch genauer hin:
Da war am Anfang Maria, die ihrem Verlobten Josef sagen musste, dass sie ein Kind bekommt, dass nicht sein Fleisch und Blut ist. Dann musste sie sich hochschwanger auf den langen und beschwerlichen Weg machen, nicht wissend, wo sie das Kind zur Welt bringen könnte. Endlich am Ziel, finden sie keinen Raum in irgendeinem Haus. Ein erbärmlicher Stall ist der einzige Ort, der ihnen bleibt. Doch trotz dieser widrigen Umstände haben sie das Wunder der Gottesnähe erlebt durch die Geburt des Kindes. Und es kamen Menschen, Hirten und weitgereiste Sterndeuter, die mit ihnen die Geburt des Herrn feierten. Aber schon wenig später mussten sie fliehen in ein fremdes Land, ohne zu wissen, ob sie jemals wieder nach Hause kommen würden. Und doch hat sich gerade in all diesen Beschwernissen, die alles andere als romantisch waren, gezeigt, dass Gott nahe war. Er hat in all dem gezeigt, dass ihm das Schicksal der Menschen nicht gleichgültig ist. Im Gegenteil, er kam und kommt bis heute mitten hinein in die Abgründe und Tiefen des Lebens. Er gibt Kraft zum Durchhalten und führt am Ende auch wieder heraus. Und manchmal erfahren wir gerade in schwierigen Zeiten tief im Herzen eine Freude. Wie Maria. Sie bewegte die Worte in ihrem Herzen. Und sie spürte, dass alles Sinn macht. Wir dürfen getrost auf das Kind schauen und dann werden wir Weihnachten erleben, ob mit oder ohne Besuch, in der Kirche, zu Hause, auf Arbeit oder wo auch immer wir diese Tage verbringen, und es kann Freude in uns werden, wie uns unser Monatsspruch zeigt. Gott will in unser Herz hineinkommen, so wie Jesus damals in diesem ärmlichen Stall zu den Menschen kam. Ich wünsche uns allen diese Erfahrung und ein erfülltes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
Monatsspruch für Oktober
„Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.
Hebräer 10, 24
In der vergangenen Urlaubszeit hat manch eine oder einer von uns vielleicht die Möglichkeit genutzt, auf einem belebten Platz irgendeiner Stadt zu sitzen und Menschen zu beobachten. Ich mache das ganz gern einmal und stelle mir vor oder frage mich, was diese Menschen wohl in ihrem Leben so machen. Sind sie glücklich oder belasten sie manche Sorgen? In der Fremde bekommt man darauf natürlich keine Antwort. Aber wie ist das in unserer unmittelbaren Umgebung, wo wir leben und arbeiten? Wir haben tagtäglich viele Kontakte mit anderen Menschen. Aber habe ich sie wirklich wahrgenommen, beachtet? Weiß ich, wie es denen geht, die mir so vertraut scheinen? Aufeinander achten, wie uns Paulus hier auffordert, das hat etwas mit Zeit und mit Interesse zu tun. Bewusst hinschauen, bewusst zuhören, um zu sehen, wie es dem anderen geht! Ich denke, jeder und jede von uns – bis auf wenige Ausnahmen – möchte doch wahrgenommen werden. Wir möchten, dass es jemanden interessiert, wie es einem geht. Und wir wünschen uns Menschen an der Seite, die mit uns Freude und Leid teilen. Aber wir leben immer mehr in einer Zeit, wo sich viele nur um sich selbst drehen, ihre eigenen Interessen sehen und sie dann auch lautstark einfordern. Vielleicht ist dies auch ein Aufschrei nach Aufmerksamkeit. Aber, wenn es nur noch um meine Interessen geht und ich erwarte, dass der andere meine Sicht der Dinge annimmt, dann wird es verkehrt. Wenn ich meine Mitmenschen niederschreie und alles kritisiere, was andere machen, dann verbreitet sich nur noch negatives Gedankengut, das vielen Menschen diesen Tag oder gar eine ganze Lebenszeit kaputt machen kann – negative Gefühle und Gedanken, die keinen Platz mehr lassen für Freude, Vertrauen und inneren Frieden. Aber genau dies brauchen wir mehr als alles andere!
Der Apostel und Jesus-Nachfolger Paulus macht deshalb Mut, einander mit Liebe und guten Werken zu begegnen. Was heißt das? Jemandem ein Lächeln schenken, kann schon ein gutes Werk sein. Oder ein Wort der Ermutigung. Jemandem sagen: „Ich habe eine andere Meinung in dieser Sache, aber ich respektiere dich, weil du mir wichtig bist.“ Wir sind als Christen nicht gehalten, uns im Leben nach oben zu boxen und die Ellenbogen zu benutzen, um erfolgreich zu sein. Sondern, in Jesu Namen können wir loslassen, Liebe verschenken, einander stützen und stärken, wo es geht.Das ist unsere Bestimmung. Martin Luther, der bekannt war für seine deftige Sprache, hat einmal treffend gesagt: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“ Man könnte es auch etwas feinsinniger sagen: „Auseinem verbitterten Herzen kommt kein ermutigendes Lächeln.“ Und weil uns Gott unser Herz mit Liebe, Freude, Frieden und ermutigenden Gedanken gefüllt hat, sollte es nicht schwer fallen, davon reichlich zu verschenken. Lassen wir nicht zu, dass sich um uns eine Atmosphäre ausbreitet, die uns keine Luft zum Atmen mehr lässt, die die Welt nur noch in düsteren Farben zeichnet. Gott hat es in unsere Hand gelegt, wie wir sie sehen und begreifen. Er zeigt uns jeden Tag ihre zerbrechliche und gefährdete Schönheit, auf der wir leben dürfen. Helfen wir mit, dass unser Leben hier in unserem Land und auch weltweit neben allem Schweren immer auch ein Lächeln trägt, weil wir aufeinander achten und uns anspornen zur Liebe und vielen guten Werken.
Euer Pfarrer Wilfried Fritzsch
„Der HERR segne dich und behüte dich! Der HERR lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig! Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!“
4. Mose 6.22 - 27
Wie wichtig ist für Dich dieser Segen?
Pfarrer Ramsch hat am 6. Juni, am Ende seines letzten selbst gestalteten Gottesdienstes noch einmal diesen Segen allen anwesenden Besuchern zugesprochen. So wie wir ihn fast an jedem Sonntag am Ende des Gottesdienstes empfangen können.
Was macht diesen Segen so besonders, dass er bis heute erhalten ist und so oft verwendet wird?
Gott selbst hat während der langen Zeit der Wüstenwanderung, nachdem er sein Volk aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit hatte, seinem auserwählten Anführer Mose den Auftrag gegeben, diesen Segen über dem ganzen Volk auszusprechen. Gott hat ihn eingesetzt und damit versprochen, dass mit diesen Worten sein Segen über sein Volk kommt.
Aber was bedeutet „Segen“ eigentlich?
Segen ist – von Gott geschenkte – Lebenskraft. Er ist die ganze Liebe und Zuneigung Gottes zu uns, die er geben will. Es ist die Zusage, dass Gott uns nicht nur einfach das Leben geschenkt hat, sondern auch, dass er uns nie allein lassen wird, egal in welcher Situation wir uns befinden.
„Der Herr segne dich und behüte dich!“
Dies ist kein Versprechen eines sorgen- und leidfreien Lebens. „Behüten“ heißt vielmehr: Gott nimmt uns in seine Obhut. Mit diesem alten Wort kommt zum Ausdruck, dass es nichts gibt, was uns aus Gottes Hand reißen kann. Somit wird es zur Lebenskraft in allen Herausforderungen des Alltages, eine Kraft, die durchträgt.
„Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig.“
„Gottes Angesicht leuchtet über dir, du bringst ihn zum Strahlen. Du bist sein geliebtes Kind. Und deshalb darfst du dich von diesem Strahlen anstecken lassen. Freu dich – du bist wunderbar geschaffen! Gottes leuchtendes Gesicht will dich „erleuchten“, dir Klarheit schenken, Licht ins Dunkel bringen und dir den Weg zeigen.“ So hat es jemand einmal treffend formuliert.
Gleichzeitig ist Gott „gnädig“! Im Alten Testament hat dieses Wort auch die Bedeutung von „sich herabbeugen“. Gott beugt sich bildlich gesprochen herab, um uns auf Augenhöhe zu begegnen. So hat er es in seinem Sohn Jesus gemacht, der alles gesehen und selbst erlebt hat, was Menschen froh macht, aber auch bedrückt und vielleicht gar zur Last wird.
„Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!“
Gott zeigt dir sein Gesicht, er begegnet dir offen. Dir gilt sein ungeteiltes Interesse. Gottes Absicht ist es, dir Frieden zu geben. Dieser Frieden steht für „heil sein“, Zufriedenheit und für heilsame Beziehungen – von Mensch zu Mensch und Mensch zu Gott.
Sehnst du dich nach diesem Frieden? Vielleicht gerade inmitten von Unklarheit, konkreter Not, Zweifeln und Herausforderungen? Dann gilt dir ganz besonders dieser Segen: „Gott bewahre dein Herz und gebe dir einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft“.
„Und so sollen sie meinen Namen auf die Kinder Israel legen, und ich werde sie segnen.“
Gut, dass wir uns im Gottesdienst und an anderen Orten unter diesen Segen – diese geschenkte Lebenskraft – stellen können.
Ihr Pfarrer Fritzsch
Apostelgeschichte 5,29
Liebe Gemeindemitglieder,
dieser Monatsspruch für Juni hat es in sich. Vielleicht führt er die älteren Leser unter uns gedanklich sofort zurück in die Zeit der DDR. Dort musste man als Christ oft entscheiden, inwieweit gewissen Forderungen des Staates und seiner Helfer aus persönlichen Glaubensgründen widersprochen werden musste. Damals waren die Fronten zwischen Glauben und Staatsideologie relativ klar definiert. Aber wie ist das heute? Worauf bezieht sich dieser Bibelspruch überhaupt? Bei Petrus und den anderen Jüngern von Jesus ging es damals um den Auftrag, die Botschaft der Liebe Gottes weiterzusagen und die Menschen einzuladen, danach ihr Leben auszurichten. Dies war nicht immer leicht: Den Hohenpriestern der Juden waren Jesus und seine Lehre ein Dorn im Auge und ein Angriff auf ihre Art, zu glauben. Sie
wollten dieser neuen Bewegung ein schnelles Ende bereiten. Auch heute werden noch in vielen Teilen der Welt aus unterschiedlichen Gründen Christen verfolgt oder sogar getötet. Das müssen wir in unserem Land – Gott sei Dank – nicht erleiden. Aber mir stellt sich dennoch die Frage, wo ich in meinem Leben als Christ vielleicht widerstehen muss?
Wo begegnen mir Ansprüche von außen, die das Leben, wie es Gott für uns gedacht hat, gefährden? Wie kann ich überhaupt wissen, was Gott von mir erwartet und was bedeutet „gehorsam sein“ in unserer Zeit, wo die persönliche Freiheit so über allem steht? Auf unserem Titelbild ist ein überdimensionales Ohr zu sehen. Es symbolisiert einen wichtigen Aspekt bei der Beantwortung dieser Fragen. Gehorsam gegenüber Gott setzt immer das Hören voraus, die Offenheit dem gegenüber, was Gott mir ganz konkret in meiner Lebenssituation sagen will. Er redet mit uns durch die Glaubenszeugen der Bibel aber vor allem im Gebet, das immer auch das Schweigen und Hören beinhaltet. Hier können wir Gott bitten, dass er uns hilft, in bestimmten Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Vielleicht auch, dass er, wo es sein muss, uns die Kraft gibt, einen unpopulären Weg zu gehen. Er lehrt uns aber auch, dass es dabei nicht darum gehen kann, sich mit Wut, Hass oder Gewalt gegen einen vermeintlichen Gegner zu stellen. Das würde gegen alles stehen, was Jesus vorgelebt hat. Wer ihm zuhört, wird dagegen erfahren, dass aus Liebe heraus eine große Kraft entsteht. Sie kann Menschen und Situationen verändern. Lasst uns darum hören, wozu uns Gott heute
braucht. Es gibt so viele Dinge, die unser eigenes Leben und auch unser Zusammenleben in unserem Land in eine falsche Richtung laufen lassen. Aber es gibt auch viele Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Dabei geht es nie um alles, sondern um das, was Gott uns vor die Füße legt. Hier will uns die Geschichte der Jünger und Freunde Jesu ermutigen. Sie haben angefangen, das weiterzuleben, was sie mit ihm erfahren haben. Manche in ihrer nahen Umgebung, manche haben sich auch in ferne Regionen aufgemacht. Oftmals sind sie auch nicht verstanden worden.
Aber immer spürten sie, dass dieser Weg der richtige ist. Wo könnte dein Platz sein, an dem du Gott mehr gehorchen solltest als den Menschen?
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Liebes Gemeindeglied, liebe Schwester, lieber Bruder,
fast 6 Wochen der Passionszeit liegen hinter uns. Wir haben gefastet. "Sieben Wochen Ohne". Wie immer wählten wir uns ein eigenes Fastenziel und hielten es durch – beinahe jedenfalls.
Nicht aller Verzicht aber wurde von uns gewählt, dieser andere bestimmt seit über einem Jahr unser Leben. Unser gewohnter Alltag kam uns abhanden. Gewohnheiten konnten wir weniger gut pflegen und Vergnügungen fielen meist aus. Unser Miteinander verlangt andere Medien oder wird stiller. Manchen fehlt gar Beruf und Einkommen. All das kommt von außen, wir haben keine Wahl. Dazu die vielen beengenden Regeln, die wir fast als Freiheitsentzug empfinden. Das alles ist uns über. Wir sind genervt und nerven andere. Auch die politischen Verantwortungsträger wirken erschöpft. Diese Passion dauert uns schon zu lange …
Noch sind die Palmzweige nicht auf den Weg gestreut, noch gab es nicht den jubelnden Einzug in Jerusalem, noch brachen wir nicht das Brot und tranken den Wein, noch steht kein Kreuz auf dem Hügel. Das alles müssen wir noch durchstehen, den Jubel, der schon ein Ende ankündigt. Ein Abendmahl, das letzte überhaupt. Die Kreuzigung unseres Herrn, seinen Tod, das Ende.
Und doch geschieht etwas mit uns. Der früher grau empfundene Alltag wird in der Erinnerung farbig. Die selteneren Begegnungen mit Freunden und fernen Familiengliedern wiegen schwerer und hinterlassen tiefere Spuren. Manches Große verliert an Bedeutung. Wir freuen uns über Kleines, das wir bislang übersahen. Es reift in uns die Einsicht, das Glas ist nicht halb leer – es ist halb voll! Eine Ahnung keimt in uns, der Tod kann nicht das Letzte sein. So wollen wir nun noch Leid und Tod der Karwoche durchhalten. Wir hoffen, dass unser Osterlachen am frühen Sonntagmorgen erklingt und wir uns froh zurufen: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“
Und wir mit ihm!
Ich grüße Dich, Sie, Euch mit der Osterhoffnung des Kirchenvorstands
Stefan Dumke
Liebe Gemeindemitglieder,
hatten Sie selbst schon einmal die Gelegenheit, die Taufschale in unserer Weißiger Kirche aus der Nähe zu betrachten? Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Zeit vor dieser Pandemie, als wir noch unbeschwert Gottesdienst feiern und natürlich auch taufen konnten – Kinder wie Erwachsene. Leider war das im letzten Jahr kaum mehr möglich. Wir haben daher die Zeit genutzt und – wie schon lange geplant – die Taufschale fachmännisch aufarbeiten lassen, sodass sie nun wieder in neuem Glanz zur Taufe einlädt. Jetzt kann man auch auf dem Rand der Schale umso besser den Bibelspruch lesen, der bei der Taufe immer eine zentrale Rolle spielt:
„Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.“
Markus 10,14
Ich freue mich schon darauf, wenn wir wieder wie gewohnt mit Kindern und Erwachsenen an den Taufstein treten können und das Wasser sich in die Schale ergießt. Ich habe vor diesem Hintergrund einmal recherchiert, wieviele Kinder im Alter zwischen einem und 12 Jahren in unserer Kirchgemeinde getauft sind.
Und ich war überrascht:
Von den 483 Kindern, wo mindestens ein Elternteil zu unserer Gemeinde gehört, sind 220 getauft. Ich weiß, dass viele Eltern dabei ganz bewusst die Entscheidung treffen, ihr Kind erst taufen zu lassen, wenn es so groß ist, dass es selbst entscheiden kann. Das ist durchaus verständlich. Dazu gehört aber auch, dass das Kind weiß, wofür oder wogegen es sich entscheiden kann. Unsere Kinder sollen schon von klein auf die Liebe Gottes und seine Hilfe kennenlernen, das Vertrauen, dass sie immer zu ihm kommen können, wenn sie Kummer oder Ängste haben. Sie sollten auch erfahren, wie gut es ist, in die Gemeinschaft der Gemeinde integriert zu sein, dort Freunde zu finden und mit anderen Kindern die Gute Nachricht von der Liebe Gottes zu hören. Wenn wir Kinder taufen, dann stellen wir sie bewusst unter den Segen Gottes und bitten ihn, sie durch ihr Leben zu begleiten. Und gleichzeitig werden sie in unsere Gemeinde hineingetauft, Menschen, die ebenfalls für sie beten und für sie da sind.
Die Taufe ist also immer auch eine bewusste Entscheidung der Eltern, mit ihrem Kind zusammen aus der Liebe Gottes zu leben. Dazu haben wir in unserer Gemeinde viele Angebote, die Eltern für ihre Kinder nutzen können. Sie wissen dann auch, je älter sie werden, was christliches Leben bedeutet und können sich nun entscheiden, ob sie diesen Weg weitergehen möchten oder nicht.
Daher, egal wie Sie sich entscheiden, wann sie Ihr Kind taufen lassen – es ist wichtig, dass es die Liebe Gottes kennenlernt. Schon Jesus hat es seinen Jüngern damals wie auch uns heute aufgetragen, seine gute Botschaft weiterzugeben und zu taufen. So sind wir als Eltern wie auch die gesamte Gemeinde angesprochen, alles dafür zu tun, dass unsere Kinder mit dieser lebensspendenden Botschaft in Berührung kommen. Und so möchte ich Sie einladen, so wie es hoffentlich mehr und mehr wieder möglich sein wird, unser Gemeindeleben kennenzulernen und mit zu gestalten. Zum Beispiel wird es ab April an jedem letzten Sonntag im Monat einen besonderen Kindergottesdienst geben. Ich denke, es würde Gott im Himmel freuen, wenn er bald schon 263 Kinder mehr in seiner Gemeinde hätte, und nebenbei – mich und viele andere auch.
Ihr Pfarrer
Wilfried Fritzsch
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Können Sie sich noch an den Schalenbrunnen in Dresden auf der Prager Straße erinnern? Vor Jahren abgebaut, steht er nun auf dem Dippoldiswalder Platz und wird dort im Frühjahr wieder das Wasser von einer Schale zur anderen fließen lassen, ähnlich wie auf unserem Bild zur Jahreslosung von Angelika Litzkendorf. Hier wird in sehr schlichter, aber eindrücklicher Weise bildlich nachempfunden, was unsere diesjährige Jahreslosung zum Ausdruck bringen will. Die Schalen sind unsichtbar befestigt an dem Kreuz, das im Hintergrund steht. Es ist feste Säule und lebendiger Wasserfall zugleich – schenkt Halt und Leben im Übermaß, dass es übersprudelt. Es ist ein Bild für unser Leben, wie es sein kann, wenn es sich unter die Barmherzigkeit des Kreuzes stellt. Das Kreuz, das eigentlich von Menschen als Todessymbol aufgerichtet war, das hat Gott zum Lebenszeichen gemacht. Es zeigt die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes, die auch dann noch vergibt, wenn Menschen ihn ablehnen und sogar tot sehen wollen. Und so sind wir eingeladen, uns wie diese Schalen immer wieder auffüllen zu lassen von dieser überströmenden Liebe, die nicht verurteilt, sondern sich immer wieder verschenkt und weitergibt. Hier ist Ruhe und Kraftquelle zugleich. Hier kann ich mein Herz öffnen und es füllen lassen mit allem, was es braucht bis zum Rand.
Es sind die Worte, die mir in der Bibel zugesprochen werden, die Zuversicht, die im Gebet wächst, die Geborgenheit, die ich in der Gemeinschaft der Gemeinde erfahre, aber vor allem das Glück, wenn ich von dem mir Geschenkten weitergeben kann.
Aber was heißt das nun ganz konkret – barmherzig sein, so wie Gott es ist? Ist das nicht viel leichter gesagt als getan?
Wir sehen die Menschen, die wirklich leiden und das Lebensnotwendigste vermissen in unserem Land, wie in der Welt. Wie weit reicht da unsere Barmherzigkeit, unser Mitgefühl? Wieviel sind wir wirklich bereit, abzugeben von unserer Zeit, unserer Energie und unserem Wohlstand? Und wie schnell sind wir dabei, Menschen in unserem Umfeld zu beurteilen, ja nicht selten zu verurteilen. Besonders Menschen, die in Politik und Gesellschaft Verantwortung tragen, werden gerade in diesen Tagen oft unbarmherzig behandelt. Menschen, die Fehler begangen haben, werden schnell an den modernen Pranger, das Internet, gestellt und nichts ist mehr so für sie, wie es einmal war.
Was bedeutet also dieses „barmherzig sein“, wie es unsere Jahreslosung beschreibt? Was bedeutet Jesu Kreuz wirklich – wie auch zuvor seine Worte zur Bergpredigt, dass wir auch unsere Feinde lieben sollen?
In dem Wort „Barmherzigkeit“ stecken im Grunde zwei Wörter: „Erbarmen“ und „Herz“. Gott hat sich mit seinem ganzen Herzen an uns Menschen gebunden, sich unserer erbarmt, obwohl wir oft Dinge tun, die alles andere als liebenswürdig sind. Er sucht Verlorene und feiert Freudenfeste für Gefundene. Es ist sein unendliches Erbarmen, das uns immer wieder ermöglicht, zu leben. Trotz aller Fehler und so vieler Versäumnisse, die uns selbst, anderen und dem Leben schaden. Wenn wir also die Menschen um uns mit Gottes Herz sehen, das nicht verurteilt, ausgrenzt und klein macht, sondern hilft, zu leben,dann werden wir entdecken, wie sich die Welt um uns Stück für Stück verändert, wie sie lebenswerter wird.
In diesem Jahr, das uns weiter mit Corona begleiten wird, wird gerade Barmherzigkeit zum Maß, das zeigt, ob wir geschwächt oder gestärkt aus dieser Erfahrung hervorgehen. Es kann nicht darum gehen, wortstark und laut sich Gehör zu verschaffen, um damit für die eigene Freiheit zu streiten. Sondern um Barmherzigkeit und Mitgefühl. Versuchen wir es: Begegnen wir dem mürrischen Nachbarn mit Freundlichkeit. Beten wir für Menschen, die voller Hass sind. Reden wir mit denen, die uns oder andere ständig kritisieren. Sehen wir in unserem Gegenüber immer zuerst den Menschen, den Gott ebenso liebt wie mich. Dann wird sich automatisch unser Blick verändern und wir werden das sehen, was Gott in diesem Menschen sieht – sein Ebenbild, welches es wert ist, geliebt zu werden.
Ich wünsche uns ein friedliches, gesundes und gesegnetes Jahr.
Ihr Pfarrer Fritzsch
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids …
Liebe Gemeindeglieder,
Weihnachten beginnt für uns mit dem Besuch einer Christvesper mit der Familie oder Freunden. Weihnachten, das sind die Begegnungen in der Kirche mit anderen Familien. Und das Krippenspiel in Luthers Übersetzung nach Lukas aufgeführt, oder übertragen in unsere Zeit. Immer gehören Kerzen und Weihnachtslieder, sehr oft Weihnachtsbäume, Schwibbögen, Adventssterne, Räucherkerzen und sehr viele Elemente heimischen Brauchtums dazu. Und natürlich die weihnachtlichen Leckereien.
All das macht uns froh und ist eng verbunden mit unserer Lesart der Weihnachtsbotschaft. Es scheint, die Botschaft ist uns so wichtig, dass wir groß auffahren müssen, sonst würde die Botschaft klein. Aber, das üppige Programm will uns nur dann vollständig und wahrhaftig sein, wenn wir es mit unseren Lieben teilen und wenn die Freude über die Botschaft sich in der Begegnung mit anderen wunderbar entfaltet und vermehrt.
Auf die Christvespern, das Krippenspiel, die Musik und die Begegnungen in der Kirche müssen wir an diesem Weihnachtsfest verzichten. Vielleicht haben wir daheim Kerzen angezündet, vielleicht singen wir sogar Weihnachtslieder und essen am festlich gedeckten Tisch in kleiner Runde. Es fehlen aber die Freunde und Familienmitglieder anderer Hausstände, weil sie nicht bei uns sein dürfen. Weihnachten ist diesmal einfach nicht das, was Weihnachten für uns ist. Weihnachten ist diesmal anders – für Manche sogar einsam.
Vielleicht ist aber an diesem Weihnachtsfest nur eines anders, wir erleben es eingeschränkt wie Kranke im Patientenzimmer oder Intensivbett, wie Häftlinge im Gefängnis, wie Christen in der Diaspora, wie Wohnungslose im Abseits.
Vielleicht ist dieses Weihnachten so gesehen, wie Weihnachten immer ist. Denn Kranke, Leidende und Verfolgte gibt es immer – zu jedem Christfest. Nur diesmal teilen wir mit ihnen Einschränkungen oder gar Isolation. Ich finde Kleines, das Kinder und die Leisen neben mir weniger einsam sein lässt.
Und doch sprach der Engel zu Ihnen: Fürchtet euch nicht! siehe, ich verkündige euch große Freude!
Wir erfahren gerade unter die Haut gehend, schmerzhaft, nicht wir machen Weihnachten …
Die Weisen aus dem Morgenland sahen damals einen Stern, der ihnen den Weg zum Kind in der Krippe wies. Schauen Sie jetzt abends an den Himmel, dann sehen Sie, wie sich Saturn und Jupiter nah beieinander zeigen. Dieses Bild ist astronomisch nicht von Bedeutung. Vielleicht hilft es uns später zu erinnern. Es gab einmal ein Jahr, da war Weihnachten ganz anders – aber es war Weihnachten …
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Christfest!
Ihr Stefan Dumke
Gemeindeglied aus Weißig und Kirchenvorsteher
Monatsspruch Oktober:
„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn`s ihr wohl geht, so geht`s euch auch wohl.“
Jeremia 29,7
Soll der Fernsehturm wieder zugänglich gemacht werden oder nicht? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Menschen in unserer Stadt. Und was bei den einen geradezu Euphorie auslöst über die realistisch gewordene Möglichkeit, den alten Traum der Turmöffnung wieder wahr werden zu lassen, lässt andere weniger begeistert sein. Darf man für touristische Zwecke Millionen Euro ausgeben, wenn noch immer Schulen und Kindergärten auf eine Sanierung oder Neubau warten und auch an anderen Stellen Gebäude dringend saniert werden müssen? Erstere halten dagegen, dass die Turmöffnung mehr Touristen in die Stadt holt, die dann auch mehr Geld in die Stadt bringen. Diese Auseinandersetzung ist nicht die Einzige, die in diesen Tagen geführt wird. Auch über der Frage, wie mit dem Corona-Virus und seinen Folgen umgegangen werden soll, ist ein heftiger Streit ausgebrochen.
Was ist der richtige Weg und wo finden wir die Wahrheit bei all den verschiedenen Meinungen unter den Fachexperten?
Wenn wir im Monatsspruch durch den alten Prophetenspruch aufgefordert werden, „der Stadt Bestes zu suchen und für sie zu beten“, dann ist das ein klarer Hinweis darauf, was unsere Aufgabe als Christen in dieser Stadt ist.
Was die richtigen Antworten auf die Fragen unserer Zeit sind, das wissen wir eben so viel oder wenig wie jeder andere auch. Wir können unsere Gedanken und Meinungen einbringen und hoffen, dass nach derzeitigem Wissensstand gute Lösungen gefunden werden. Was wir aber entscheidend einbringen können, ist der Einsatz für eine friedliche Austausch- und Streitkultur, die bei allen unterschiedlichen Positionen die Achtung vor dem Gegenüber nicht verliert. Die bereit ist, zuzuhören und zu argumentieren, und zu lernen, wenn es neue Erfahrungen gibt. Die aber auch bereit ist, Kompromisse einzugehen, wenn den Gesprächspartner die eigenen Argumente nicht überzeugen können.
Das Gebet hat dabei eine einzigartige und nicht zu unterschätzende Funktion, eine Stärke, die wir uns nicht selbst geben können. Zum einen verhindert es, dass wir Menschen untereinander und in der Gesellschaft mehr und mehr in eine Hassspirale geraten, die letztlich nur zur Spaltung bis hin zu gegenseitigen Gewaltausbrüchen führt. Zum Teil erleben wir das schon in in unserem Land. Wer dagegen für den anderen betet, der kann ihn nicht hassen, der sieht in seinem Gegenüber immer den Menschen, den Gott ebenso liebt wie ihn selbst. Zum anderen rechnet das Gebet damit, dass Gott uns bei schwierigen Fragen und Entscheidungen, die getroffen werden müssen, hilft, eine gute Lösung zu finden. So wie er damals durch seinen Propheten seinem Volk in der Verbannung Mut gemacht hat, nicht zu resignieren, sondern Familien zu gründen, Kinder aufzuziehen und sogar den feindlichen Babyloniern, die sie verschleppt hatten, Gutes zu tun. Er wusste, dass er sie eines Tages wieder in die Heimat führen wird.
Liebe Gemeinde, unser Monatsspruch zeigt uns, dass wir einen wichtigen Platz in unserer Stadt und unserer Gesellschaft haben. Wir können als Christen etwas dazu beitragen, dass unser Zusammenleben ein menschliches Gesicht behält. Ja, wir sind geradezu dazu aufgefordert, uns aktiv zu beteiligen.
Dazu müssen wir aber bereit sein, Gesicht zu zeigen!
Ihr Pfarrer Fritzsch
Liebe Gemeinde, vielleicht gehören Sie auch zu denen, die nach den Anspannungen der letzten Monate nun in die Urlaubszeit hineingehen und einfach einmal alles hinter sich lassen wollen. So viele Dinge sind ins Wanken gekommen, die noch Anfang des Jahres als so unzerbrechlich galten. Auf einmal war die Existenzgrundlage vieler Menschen in Gefahr, das öffentliche Leben fand kaum noch statt und menschliche Kontakte mussten auf das Notwendigste reduziert werden.
Wir erlebten eine Situation, wie sie so bisher kaum vorstellbar war. Nun hat sich zumindest in Europa die Lage etwas entspannt und so darf es sein, dass wir die neuen Freiheiten nutzen können, um durchzuatmen, etwas zur Ruhe zu kommen und Familie wie Freunde wieder zu treffen – sei es vielleicht auch nur im eigenen Garten oder der näheren Umgebung unseres Zuhauses. Aber vielleicht geschieht es ja auch, dass wir in dieser Zeit einmal grundsätzlich darüber nachdenken, was unser Leben eigentlich ausmacht und trägt. Sind wir und unser Leben nur etwas wert, wenn wir funktionieren, die Wirtschaft zu immer größerem Wachstum führen, Ehe und Familie managen ohne Schwächen zu zeigen, in der Arbeit alles geben und genug Geld haben, um gesellschaftlich anerkannt zu sein? Und umgekehrt – bin ich nicht mehr so viel wert, wenn manches von dem wegbrechen sollte; mit viel Kraft Erarbeitetes nicht mehr zu halten ist? Auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen – vielen Menschen ist genau das immer wieder vermittelt worden, bewusst oder unbewusst. Unser Monatsspruch für August spricht da eine andere Sprache. Ein Beter aus den Psalmen, dem Gebetsbuch des Volkes Israels betet: „Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ Da weiß jemand, woher er kommt und wohin er gehört. Jeder Mensch und jedes Lebewesen, egal wie unscheinbar es ist, ist ein Geschöpf Gottes und hat damit seinen Wert bei Gott und in sich selbst. Und nichts, was er in irgendeiner Krise verlieren könnte, kann diesen Wert schmälern. Außer ich schmälere ihn selbst, weil ich mich innerlich und äußerlich von Gott losgesagt habe. Das ist leider in unserem Land bei vielen der Fall, selbst auch unter Getauften. Sie spüren die Liebe Gottes nicht mehr obwohl sie immer da ist. Und wo Gott nicht mehr im Herzen ist, machen sich dort Dinge breit, die versprechen, besser zu sein. Doch sie sind es nicht, weil sie Teil dieser Welt sind.
Liebe Leser des Gemeindebriefes, weil die Dinge dieser Welt nicht wirklich tragen, auch wenn sie gut und nötig sind, dürfen wir uns an den wenden, der tragen kann, besonders in schwierigen Zeiten. Jeder hat die Möglichkeit jederzeit umzukehren und die Liebe Gottes in sein Herz zu lassen. Denn Gott selbst hat den ersten Schritt getan, wie es der Monatsspruch für September sagt: „Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat.“ 2. Kor. 5,19 Mein Wunsch für uns alle ist, dass wir trotz großer Krisen und mancher Verluste wissen, unendlich geliebt zu sein. Und dass diese Liebe durch uns zu den Menschen neben uns strömen will und uns so zu einer Gemeinschaft wachsen lässt, in der sich keiner alleingelassen fühlt. Es ist wie auf unserem Titelbild eine Gemeinschaft, die bunt und vielfältig ist, und die auch da ist, wenn man sich nicht an den Händen fassen darf. Gut, dass jeder von uns dort einen Platz reserviert hat.
Ihnen allen eine erholsame und „nachdenkliche“ Sommerzeit!
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Markus 9,24
Lieber Besucher,
lassen Sie sich einladen, über die Jahreslosung nachzudenken. Mit einem Klick auf das Foto startet eine Diashow mit Fotografien, die das Reflektieren zum Thema auf sehr verschiedene Weise begleiten können.
Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! (1.Petrus 4,10)
Liebe Gemeinde,
das Bild auf der Vorderseite unseres neuen Gemeindebriefes zeigt uns eine starke Gemeinschaft. Diese Bienen leben und arbeiten – je nach ihren speziellen Funktionen – zusammen für den Erhalt ihres Volkes. Aber nicht nur das. Ihr Einsatz sichert unbewusst auch das Überleben von uns Menschen. Mit ihrem Flug von Blüte zu Blüte befruchten sie auch unsere Nutzpflanzen, ohne die wir nicht existieren können. So werden sie mit ihrem Einsatz auch zu einem Vorbild für uns Menschen bzw. für unsere Gemeinschaft als Christen. Jeder wird gebraucht und jeder ist wichtig mit den Gaben, die Gott ihm oder ihr geschenkt hat. So bin ich auch in unserer Gemeinde dankbar für allen Einsatz und Engagement, die unser Gemeindeleben bereichern.
Unser Bibelvers lädt uns ein, darüber nachzudenken, wie wir unsere von Gott geschenkten Gaben „verwalten“. Da stellen sich mir folgende Fragen: Welche Gaben habe ich überhaupt? Wie kann ich sie für andere einsetzen? Wie muss ich vielleicht auch haushalten, damit ich mich selbst nicht verausgabe? Alle, die unentschlossen sind, wo ihre Aufgabe in der Gemeinde und Gesellschaft sein könnte oder die gerne mittun würden, aber sich nicht trauen, jemand anzusprechen, möchte ich Mut machen. Es sind oft die kleinsten Dienste im Hintergrund, die viel bewirken.
Durch die aktuelle Situation ist uns allerdings gerade geboten, nicht so eng beieinander zu sein, wie die Bienen auf unserem Bild. Wahrscheinlich können viele Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen nicht stattfinden aus Verantwortung für die Gesundheit unserer Gemeindeglieder wie auch aller Gäste. Das betrifft also auch dienachfolgend im Gemeindebrief aufgeführten Veranstaltungen. Es ist eine schwere Entscheidung für alle, die hier Verantwortung in unserer Kirche tragen. Bitte informieren Sie sich daher stets bei unseren Mitarbeitern, in den Schaukästen und auf unserer Website, wie das Gemeindeleben stattfindet.
Aber noch mehr denke ich an die Menschen, deren Arbeit und Existenzgrundlage gefährdet ist oder die jetzt für die Gewährleistung lebensnotwendiger Versorgung von Millionen Menschen in unserem Land Verantwortung tragen. Es wird unsere Solidarität und Hilfe nach unseren Möglichkeiten gefragt sein. Auch sollten wir darauf achten, dass vor allem ältere und kranke Menschen nicht alleingelassen werden. Hier wird die Kreativität jedes Einzelnen gefragt sein, wie wir uns gegenseitig Unterstützung und Mut zukommen lassen. Lasst uns in Austausch treten mit unseren Ideen, wie wir diese für uns alle schwierige Zeit gestalten können! Lasst uns trotz der jetzt gebotenen räumlichen Trennung doch auch wieder enger zusammenrücken und miteinander verbunden sein! Niemand kann das allein bewältigen. Bitte melden Sie sich bei uns, wenn Sie Hilfe brauchen!
Als Christen haben wir über alle konkrete Hilfe hinaus noch etwas viel Entscheidenderes weiterzugeben.
Wir können auf den zeigen, der uns besonders in den schwierigsten Zeiten nicht allein lässt. Viele Christen haben Gottes Hilfe gerade in schwersten Zeiten erfahren.
Aber vielen ist auch deutlich geworden, wie verletzlich das Leben ist und was am Ende wirklich trägt. Und daher möchte ich uns allen Mut machen mit dem, was Jesus uns in der Bibel sagt: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Egal, was kommt, wir sind und bleiben in GOTTES HAND!
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Liebe Gemeinde,
haben Sie noch die Osterbotschaft im Ohr:
„Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“?
Trotz großer Einschränkungen und der traurigen Tatsache, dass wir dieses Osterfest nicht gemeinsam in der Kirche feiern konnten, war diese Botschaft des Lebens doch unter uns.
Viele haben sie in den Gottesdiensten in Rundfunk und Fernsehen mitgefeiert, andere im Internet unsere Andachten am Karfreitag und Ostersonntag verfolgt. Und einige haben auch den Weg in unsere Kirchen gefunden und dort die Osterbotschaft gehört. Manche waren auch beim ganz spontanen Singen von Osterchorälen auf dem Weißiger Friedhof zum geblasenen Tenorhorn dabei. Und dann gabs noch die Osterkerzen zum Mitnehmen in den Kirchen. Oder die Osterbotschaft zum Abpflücken, die in kleinen Umschlägen an eine Schnur geklammert war.
Aber nicht zuletzt konnten auch Sie, unsere Senioren, an der Osterfreude teilnehmen durch den Ostergruß in ihrem Briefkasten.
Auch wenn die Corona-Krise uns in eine noch nie dagewesene Isolation zwingt, konnte sie doch die Osterbotschaft nicht verhindern.
Das Kreuz in unserer Weißiger Kirche, das viele einzelne Besucher seit dem Osterfest mit verschiedenen bunten Frühlingsblumen geschmückt haben, ist dafür ein lebendiges Zeichen. Vielen Dank an alle, die sich daran beteiligt haben.
Aus dem Kreuz, dem Zeichen des Todes, ist zu Ostern ein Zeichen des Lebens geworden. Noch tragen wir in der Schöpfung Gottes äußeres Werden und Vergehen durch unser Leben, wie auch die Blumen am Kreuz, die wieder verwelken. Aber ebenso kann und sollte jeder auch die Zeichen dieses göttlichen Lebens an uns sehen, die er mit seiner Auferstehung in uns gelegt hat.
Ich weiß, das ist gerade in dieser schwierigen Zeit nicht leicht. Wir sind selbst unsicher und ängstlich, was diese Krankheit möglicherweise in unserem Leben verändert.
Wir fühlen uns vielleicht auch wie die Jünger, die Freunde Jesu damals, als sie nach dem schrecklichen Geschehen seiner Kreuzigung verängstigt hinter verschlossenen Türen saßen und nicht wussten, wie es weitergehen soll. Diese Geschichte wird im 20. Kapitel des Johannesevangeliums erzählt.
Doch mitten hinein in diese Runde, dieser aller Hoffnung beraubten Jünger, tritt Jesus und sagt: „Friede sei mit euch!“ „Friede sei mit euch!“
Liebe Gemeinde, vielleicht spüren Sie es auch. Dieser Friedensgruß, diese vier kleinen Worte haben eine Kraft, die das tiefste Innere unserer Seele berührt.
Es ist kein menschengemachter Frieden, der so sehr brüchig ist. Es ist ein Frieden, der ein unendlich tiefes Vertrauen schenkt. Ein Vertrauen in die Lebenskraft Gottes, die in Jesu Auferstehung sichtbar geworden ist. Ein so tiefes Vertrauen, das sich an etwas festmacht, das außerhalb unserer sichtbaren und vergänglichen Welt liegt. Dieses Vertrauen hat die Kraft, Licht in die Dunkelheiten unseres Lebens zu bringen.
So wie es Edith Stein, eine Philosophin und spätere Ordensfrau, die als Jüdin zum Christlichen Glauben gekommen ist und am 9. August 1942 in Auschwitz umgebracht wurde, einmal formuliert hat: „Je dunkler es wird, um so mehr müssen wir das Herz öffnen für das Licht von oben.“ Dieses Licht hat sie bis zuletzt begleitet und stark gemacht, so wie damals die Jünger Jesu, die trotz Todesbedrohung in das ganze römische Reich gingen, um Menschen mit Jesus und seiner Botschaft bekannt zu machen. Seitdem ist es unterwegs bis zu uns in unsere Zeit.
Also, auch wenn wir jetzt nicht wissen, wann wir wieder zusammenkommen und miteinander Gottesdienst feiern können – das Osterlicht ist in uns. Lassen wir es leuchten für die, die im Dunkeln leben, mit all den Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen.
Und wenn Jesu Licht und Frieden einmal nicht zu spüren ist, dann kommen Sie in unsere Kirchen zum Gebet oder einfach nur zu stillem Zuhören. Oder Sie melden sich bei mir zu einem Gespräch.
Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Osterzeit!
Ihr Pfarrer
Wilfried Fritzsch
Liebe Gemeinde,
wir befinden uns schon wieder in der Adventszeit, in der wir uns auf das bevorstehende Christfest freuen. Das Bild auf der Vorderseite spiegelt für viele von uns das wider, was wir erwarten. Das Licht, das von dem Kind in der Krippe ausgeht, erzeugt ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Und genau dieses Gefühl wünschen wir uns auch heute, und sei es nur für diese kurze Weihnachtszeit. Die Wohnung wird festlich geschmückt, Kerzen werden angezündet und wenn möglich, soll sich die ganze Familie zu den Festtagen um den reich gedeckten Tisch versammeln. Aber wenn wir genauer hinsehen, werden wir feststellen, dass diese Äußerlichkeiten nur selten das bewirken, was wir erhoffen. Wenn wir die biblische Weihnachtsgeschichte betrachten, fällt auf, dass die äußeren Umstände der Geburt Jesu keineswegs mit denen unserer heimeligen, hellen und warmen Stuben zu vergleichen sind. Ein kahler Stall war notdürftig hergerichtet. Arme Hirten von der untersten Stufe der sozialen Leiter und reiche Sterndeuter mit einer tiefen Sehnsucht nach Leben waren die Gäste dieses ärmlich wirkenden
Kindes. Und schon in der Nacht musste das Heilige Paar mit dem Kind fliehen, weil Herodes ihm nach dem Leben trachtete. Da war äußerlich eigentlich nur Dunkelheit und kein Licht. Aber ist dies nicht auch unserer Zeit viel näher? Verschiedenste Verlustängste beherrschen uns Menschen. Und daraus wachsen Ärger und Wut gegenüber Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft, ja auch gegenüber
Nachbarn. Diese Erfahrung machen wir nun immer mehr auch in unserer Kirche. Die Ereignisse um unseren Bischof, sein Rücktritt, und die daraus entstandenen gegenseitigen Anschuldigungen unterschiedlich geprägter christlicher Gruppen machen mich betroffen. Ich kenne Viele, die in Sorge sind, dass unsere Kirche nur schwer aus diesem dunklen Tal wieder herauskommt. Aber genau in diese Situation spricht unser Monatsspruch für Dezember: „Wer im Dunkeln lebt und wem kein Licht leuchtet, der vertraue auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott.“ (Jesaja 50,10) Dieser Bibelvers lässt mich fragen, wie es um mein Vertrauen bestellt ist. Traue ich Gott zu, dass er mit unserer Kirche seinen Weg geht – auch in schweren Zeiten? Traue ich Gott zu, dass er auch unsere unterschiedlichen Arten zu glauben benutzen kann, um seine Botschaft der Liebe in die Welt zu bringen? Traue ich Gott zu, dass er unserer Kirche, aber auch mir ganz persönlich, zeigt, welcher Weg der richtige ist? In der Bibel lese ich viele Erlebnisberichte von Menschen, die dieses Vertrauen hatten oder darum gerungen haben. Sie durften erfahren, wie Gott in ihrem Leben wirkt. Und das dürfen wir auch. Eine gute Zeit ist dafür das monatliche Abendgebet in unseren Kirchen, wo wir Gott unseren Dank, aber auch unsere Ängste, Sorgen und Fragen bringen. Das Kind in der Krippe will uns aus allem Dunkel führen, wir brauchen uns nur dafür zu öffnen!
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Wer in letzter Zeit auf dem Weißiger Friedhof war, der hat es sicher bemerkt. Die Eingangstore wurden von Grund auf erneuert. Nun geben sie wieder einen würdigen Eintritt zu dem Ort, wo geliebte Menschen, Angehörige und Freunde beerdigt sind.
Auf dem Titelbild dieses Gemeindebriefes sieht man hinter dem Tor die neue Friedhofshalle. Seit Anfang des Jahres nehmen wir dort Abschied – Christen wie Nicht-christen. Und auch dort höre ich, dass es ein guter Ort ist, um Abschied zu nehmen. Ja, so soll es sein. Ein Friedhof, ob in Weißig, in Schönfeld oder anderen Ortes, braucht unser Bemühen, damit er bei aller Trauer immer auch ein Ort der Ruhe und des Trostes bleibt.
Doch auch ein noch so schöner Friedhof kann unseren Schmerz nicht wegnehmen, der im Angesicht des Todes das Herz schwer macht.
Was tröstet mich wirklich, wenn da neben mir immer wieder diese Leere ist, die vorher jemand ausgefüllt hat?
„Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ (Monatsspruch November)
Es ist Hiob im Alten Testament (Hiob 19,25), der diesen Satz ausspricht.
Tina Willms schreibt dazu:
„Hiob hat alles verloren: seine Töchter und Söhne, dazu das, was er besaß. Nun breiten sich auch noch auf seinem Körper Geschwüre aus. Viele Menschen machen einen Bogen um ihn. Drei Freunde aber kommen und stehen ihm bei. Sieben Tage lang schweigen sie mit ihm. Ich stelle mir vor, wie gut das tut. Keine Erklärungsversuche, kein billiger Trost. Nur Aushalten. Schweigen da, wo Worte nicht reichen. Sieben Tage lang. Dann aber meint einer, nun müsse doch endlich die Ursache für solch ein Unheil geklärt werden. Alle drei weisen nun Hiob die Schuld zu. Sein Leiden sei eine Strafe Gottes. Hiob aber wehrt sich energisch. Nein, sagt er, andersherum sei es: Gott habe ihm Unrecht getan. Er wütet und tobt. Er ringt mit den Freunden und zugleich mit Gott. Doch dann schlägt er einen anderen Ton an: „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, ruft er. Ob diese Wende sich erst vollziehen kann, nachdem alles andere ausgesprochen ist und Hiob Wut, Klage und Verzweiflung zum Himmel schreit? Hiob zeigt mir: In den schwarzen Zeiten meines Lebens muss ich nicht immer glaubensstark sein. Ich darf zweifeln, klagen, anklagen und fluchen. Gott hält das aus. Nicht er bringt Unheil über mich, schon gar nicht, um mich zu strafen. Die Frage nach dem „Warum“ muss und darf also offenbleiben. Um des Menschen und um Gottes willen.“ „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ In dieser Zuversicht dürfen auch wir leben, so wie Christus uns das versprochen hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer mir nachfolgt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Ihr Pfarrer Fritzsch
Was empfinden Sie, wenn Sie das Foto auf der Vorderseite betrachten? Ist es ein tröstlicher Gedanke, dass – in einem besonderen Licht betrachtet – aus einer Dornenkrone ein Herz wird? Oder ist es eher eine Zumutung, in diesem Symbol der Schmerzen etwas Positives zu sehen?
Wir leben in einer Welt, die versucht, alles Schmerzhafte aus dem Leben zu verbannen. Manche vermeiden Liebesbeziehungen, weil sie enttäuscht werden können. Manche leben nur für sich, weil sie die Verantwortung für andere scheuen. Manche leben ihren Traum, ohne die zu sehen, denen es am Nötigsten fehlt.
Die Dornenkrone dagegen steht für ein anderes Leben – ein Leben, in dem Schmerzhaftes nicht ausgeklammert wird. Ich denke z.B. an das Mitleiden, das man für einen Menschen auf sich nimmt, den man liebt. Oder die Nachteile, die entstehen können, wenn man sich Bösem widersetzt oder sich für Minderheiten einsetzt.
Der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer hat es während seiner Haft 1943 – 1945 für sich einmal als sein persönliches Glaubensbekenntnis formuliert:
Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Faktum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.
Bonhoeffer beschönigt das Leid nicht. Aber er hat in seinem Kampf gegen Hitler seine Verhaftung und seinen Tod in Kauf genommen. Seine grundlegende Motivation war die Passions- und Ostergeschichte: Jesus überwindet den Hass mit Liebe!
Und so stellt sich auch für uns heute immer wieder die Frage: Bitte ich Gott um ein sorgloses, von Leid, Schmerzen und Nachteilen befreites Leben? Oder bitte ich eher darum, dass er mir Kraft gibt, das alles zu tragen? Jesus selbst hat dies in seinem Leben vorgelebt. Er konnte Dornenkrone und Kreuz auf sich nehmen, weil er sich von Gott, seinem Vater, gehalten wusste. Und er wusste, dass Gott größer ist als alles, was das Leben zerstört! Seine Auferstehung ist das sichtbare Zeichen dafür. Er hat seinen Jüngern damals gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matth. 28,20). Aus dieser Zusage können wir auch heute jeden Tag Kraft schöpfen.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
„Suche Frieden und jage ihm nach“
Kann es sein, dass der Frieden zwischen uns Menschen kein Zustand ist, sondern immer wieder gesucht werden muss??Das lässt jedenfalls unsere diesjährige Jahreslosung vermuten.
Ja, wer möchte nicht in Frieden mit seiner Familie, seinen Nachbarn, Schulkameraden, Arbeitskollegen und allen Menschen, denen er im Leben begegnet, leben. Frieden bedeutet keine Angst haben zu müssen, dass jemand mein Leben bedroht oder mir irgendeinen Schaden zufügt, dass ich unbeschwert meinen Alltag leben und so gestalten kann, wie es mir gefällt.
Frieden ist also eine Grundvoraussetzung für das, was wir ein glückliches und erfülltes Leben nennen. Wer würde dem widersprechen? Aber meist währt dieser Frieden meinerseits nur solange, wie sich andere Menschen mir gegenüber ebenso friedlich verhalten. Sobald das nicht mehr so ist, ziehe ich mich zurück, halte Abstand oder versuche mich zu verteidigen und mich zu schützen. Die Folge ist, dass unsichtbare oder sichtbare Mauern entstehen zwischen Menschen, dass man nicht mehr miteinander spricht und die Angst voreinander wächst, die nicht selten zu Gewalt und tiefen Verletzungen an Leib und Seele führt. Leider erleben wir das millionenfach in unserer Welt.
Wo ist er zu finden, dieser Frieden, von dem die Jahreslosung spricht?
Eine Antwort finden wir in der Bergpredigt Jesu, im Lukasevangelium (Kapitel 6, 27+28). Es ist eine Antwort, die nicht leicht umzusetzen ist und uns viel abverlangt:
„Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“?Wahrer Frieden ist also nur dort zu finden, wo ich bereit bin, mehr zu geben, als ich bekomme. Wo ich in meinem Gegenüber den Menschen hinter seiner Handlung wahrnehme und ich ihn mit den liebenden Augen Gottes ansehe.
Für mich heißt das aber: nur wenn ich im Frieden mit Gott lebe und in ihm den Ursprung allen Friedens sehe, kann ich diese Haltung erlangen.
Wer so denkt und handelt, der tut das aus einer Stärke heraus, die alle Angst überwinden kann und damit den Weg zum anderen frei macht. Bin ich bereit, mich auf die Suche nach diesem Frieden zu machen?
Das biblische Schalom (Frieden) drückt mehr aus als nur „Abwesenheit von Krieg“. Und dieser Frieden hat viele Gesichter, die es zu finden gilt:
Weite suchen, Wahrheit suchen, Eintracht suchen, Mäßigung suchen, Nachsicht suchen, Liebe suchen, Worte suchen, Einsicht suchen, Vergebung suchen, Mut suchen, Demut suchen, Segen suchen – Frieden finden.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt!
Liebe Leser, wir gehen in die Adventszeit, die uns mit Bräuchen und vielen Lichtern wieder auf das Weihnachtsgeschehen einstimmen will. Ursprünglich war diese Zeit eine Fastenzeit, die die Alte Kirche auf die Tage zwischen dem Martinstag (11. November) und dem ursprünglichen Weihnachtstermin, dem 6. Januar festlegte. Das waren (ohne die fastenfreien Sonntage) genau 40 Tage. Auch Jesus fastete 40 Tage in der Wüste, um sich seiner Kraftquellen bewusst zu werden. Erst Papst Gregor hat im 6. Jhdt. die Zahl auf vier Adventssonntage reduziert. Für viele von uns ist dies auch heute noch eine besondere Zeit. Wir wünschen uns besinnliche Stunden, doch die Realität beschert eher Hektik und Stress. Wie soll ich dann noch der Aufforderung „Mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt“ gerecht werden? Wie kann ich licht sein? Licht sein bedeutet doch hell sein, Freundlichkeit, Güte und Geduld austrahlen. Aber wie soll ich das schaffen in dieser vollgepackten Zeit? Advent: Da scheint ja ganz schön viel auf mich zuzukommen!
Genau! Es kommt viel auf mich zu: Und das ist das Kind, das im Stall von Bethlehem geboren ist. In ihm kommt Gott selbst auf uns zu. Er will das Licht der Welt sein! Ich darf wissen: Alles, was ich an Licht leuchten lasse, alles, was ich anderen gebe an Güte, Liebe, Verständnis und Zuwendung, all das hat seinen Ursprung in Gott. Er schenkt mir dafür Zeit und Kraft. Und da, wo ich anderen das Leben hell mache, habe ich Anteil an Gottes Licht, gebe ihm Raum.
„Mache dich auf und werde licht“ – das ist eine ungewöhnliche Aufforderung. Doch sie bedeutet eben nicht, noch eine Lichterkette mehr anzubringen, sondern selbst – als Mensch – hell zu werden – Licht für andere zu sein. Vielleicht ist es das nette Wort für die gestresste Kassiererin, ein Dankeschön für den Postboten, ein geduldiges Zuhören, wenn jemand sein Leid klagt, oder das Sich- Versöhnen nach langem Streit. Für jeden kann es etwas anderes sein. Aber immer bedeutet es: etwas abzugeben und doch etwas zu gewinnen! So wie in dieser kleinen Geschichte:
Es kam der Tag, da sagte das Zündholz zur Kerze: „Ich habe den Auftrag, dich anzuzünden.“ „Oh nein“, erschrak die Kerze, „nur das nicht. Wenn ich brenne, sind meine Tage gezählt. Niemand wird meine Schönheit mehr bewundern.“
Das Zündholz fragte: „Aber willst du denn ein Leben lang kalt und hart bleiben, ohne zuvor gelebt zu haben?“
„Aber brennen tut doch weh und zehrt an meinen Kräften“, flüstert die Kerze unsicher und voller Angst.
„Es ist wahr“, entgegnete das Zündholz. „Aber das ist doch das Geheimnis unserer Berufung: Wir sind berufen, Licht zu sein. Was ich tun kann, ist wenig. Zünde ich dich nicht an, so verpasse ich den Sinn meines Lebens. Ich bin dafür da, Feuer zu entfachen. Du bist eine Kerze. Du sollst für andere leuchten und Wärme schenken. Alles, was du an Schmerz und Leid und Kraft hingibst, wird verwandelt in Licht. Du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst. Andere werden dein Feuer weitertragen. Nur wenn du dich versagst, wirst du sterben.“
Da spitzte die Kerze ihren Docht und sprach voller Erwartung: „Ich bitte dich, zünde mich an!“
In diesem Sinne wünsche ich uns allen in dieser Adventszeit „lichte Momente“
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Liebe Gemeinde,
in der Nähe von Paris finden wir eine der schönsten Kathedralen Europas: Chartres. In den Steinboden ist jenes Labyrinth eingelassen, welches Sie als Titelbild auf dem Gemeindebrief sehen. Es hat einen Durchmesser von ca. 12,50 m. Läuft man den Weg bis zur Mitte, muss man 305 m weit gehen. Was nah und schnell erreichbar scheint, erweist sich als schwieriger, als man anfangs glaubte.
Im Symbol des Labyrinths steckt ein tiefer Sinn. Es ist Symbol für das Leben selbst und für das menschliche Suchen nach dem Sinn.
Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was erwarten wir?
In jungen Jahren scheint es da immer geradeaus zu gehen, ohne viele Umwege. Nach kleinen Schlenkern geht es dann wieder weiter. Die Mitte ist schon zum Greifen nahe, dann umkreisen wir sie aber nur. Der Weg durchs Leben bringt uns manchmal unvorhergesehene Kehrungen und Herausforderungen, die uns weiter von der Mitte entfernen. Wo befinde ich mich eigentlich gerade? So könnte man fragen. Näher an der Mitte oder mehr an den Rand gedrängt? Und – was ist eigentlich meine Mitte?
Der Reformator Calvin hat es so beantwortet: „Das Hauptziel menschlichen Lebens ist: Gott zu erkennen. Wieso das? Weil uns Gott geschaffen hat und in die Welt gesandt hat. Und was ist die wahre Gotteserkenntnis? Dass wir unser ganzes Vertrauen auf Ihn setzen“, also, dass wir ihn die gesuchte Mitte unseres Lebens sein lassen. Denn Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis des Menschen sind eng miteinander verbunden.
Es gibt Zeiten, da sind unsere Wege ein „Sich Nähern“ an die Mitte und Zeiten eines „Entfernens“ von der Mitte.
Der Weg im Labyrinth hat schon etwas vom Ziel an sich. Es ist so, als ob unsere Wege letztlich um die Mitte kreisen.
Und das ist auch der Unterschied zum Irrgarten: dort irrt man umher, gerät in Sackgassen und weiß letztendlich nicht, ob man an ein Ziel kommt.
Eines macht das Labyrinth deutlich: Es ist wichtig, weiterzugehen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Das Labyrinth von Chartres führt zu einer Mitte, die mit dem Symbol der Rose gestaltet ist. Die Rose ist von alters her ein Symbol für Christus: Dornen und Blüten für Kreuz und Auferstehung, Passion und Ostern.
Vielleicht kennen Sie die Geschichte von den drei Steinmetzen. Alle behauen auf derselben Baustelle Steine. Ein Besucher kommt und fragt den ersten Arbeiter, was er da tue. Dieser jedoch antwortet mürrisch: „Ich behaue Steine. Das sehen Sie doch.“ Dann stellt er dem zweiten Steinmetz dieselbe Frage und dieser antwortet: „Mein Stein wird der Schlussstein eines gotischen Fensters.“ Als nun der dritte auch gefragt wird, strahlt er über das ganze Gesicht und sagt: „Ich baue an einer Kathedrale für Gott.“ – Alles ist eine Frage der Perspektive! Der dritte Arbeiter wusste um die Mitte seines Lebens. Dies wünsche ich uns allen!
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Die Bibel 1. Johannes 4,16
„Die Liebe steht bereit, wenn ein Mensch das Licht der Welt erblickt – sie ist sozusagen das »emotionale Grundeinkommen« des Lebens.“
Dieser Spruch von Nyree Heckmann, einer Pastorin aus Stammheim erinnert mich sehr an unser Tauffest, welches wir am 27. Mai in unserer Gemeinde gefeiert haben. Acht Kinder und Erwachsene wurden in diesem Gottesdienst getauft, sowie eine Erwachsene konfirmiert. Und immer, wenn ein Mensch getauft wird, steht diese wunderbare Zusage im Mittelpunkt, dass Gott jeden Menschen ohne jede Vorleistung liebt und als sein Kind annimmt, so wie er ist. Zu jedem neugeborenen Menschenkind spricht er sein „Ja“, ein „Ja, schön, dass es dich gibt“.
Und diese Zusage wird so dringend gebraucht in einer Zeit, in der wir schon von klein auf an vielen Stellen sehr deutlich spüren und auch gesagt bekommen, dass wir nur dann am Leben teilhaben und Anerkennung erwarten können, wenn wir etwas leisten und entsprechend viel vorzuweisen haben. Aber wer kann das? Wer hält das immer durch? Wie viele haben dabei das Gefühl, nicht gut genug zu sein?
Wie gut ist es da, in der Taufe zu erleben, dass Gott mich bedingungslos liebt – unabhängig vom sozialen Status, vom Aussehen oder irgendwelchen Leistungen und Fähigkeiten. Wir müssen uns die Liebe nicht erst verdienen, sie wird uns einfach geschenkt.
Und weil dieses Wissen für uns so wichtig ist, dürfen wir uns das immer wieder gegenseitig zusprechen, es miteinander feiern und uns daran erfreuen. So wie bei diesem Tauffest. Die bunten Tücher, die sich auf dem Titelbild wie ein schützendes Zelt über dem Altarplatz spannen, sind für jeden Besucher der Kirche schön anzuschauen. Aber erst, wenn sich darunter viele Menschen, alte und junge, versammeln und Gottes Liebe miteinander feiern, hat diese Liebe ihr Ziel erreicht, so wie es Pastorin Heckmann beschreibt:
„Dann wird aus Mensch und Mensch eine Gemeinschaft, die lebt und Frieden schafft. Und, das Gefühl von Lebensglück kann sich entfalten und wachsen. Es kann sich vermehren, es kann geteilt und reicher werden. Die Liebe hat Potenzial, die Welt zu retten, wenn wir dabei bleiben, dass für Mensch und Mensch gilt: »Du bist bejaht und geliebt.«“
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle lebendigen Wassers umsonst.
Offenbarung 21,6
Gott spricht
ER, der Ursprung des Lebens.
ER, der von Ewigkeit zu Ewigkeit herrscht.
ER, der Schöpfer aller Dinge.
ER, der über alles den Überblick hat.
Ich will
Du bist IHM nicht egal.
ER hat es zugesagt.
ER wird es tun.
dem Durstigen
Du darfst deinen Lebensdurst IHM anvertrauen.
Du darfst mit deinem Mangel zu IHM kommen.
geben
ER schenkt.
Du musst nicht betteln.
ER gibt gern.
von der Quelle
ER gibt kein trübes und abgestandenes Wasser.
Kein Wasser aus Flaschen oder Leitungen.
Wasser aus SEINER Quelle, die fortwährend sprudelt.
lebendigen Wassers
SEIN lebendiges Wasser kann dich erfrischen.
Es kann deinen Lebensdurst stillen.
Es kann dich heil machen.
Du kannst es weitergeben.
umsonst
ER stellt keine Bedingung.
ER schickt keine Rechnung.
Es ist schon bezahlt.
Du kannst es einfach so annehmen.
Was auch immer uns im Leben begegnet, Gutes wie Schweres – wir dürfen jeden Tag aus dieser Lebensquelle trinken. Ich wünsche uns allen, dass uns diese wunderbare Zusage Gottes durch das vor uns liegende Jahr begleitet.
Ihr Pfarrer Fritzsch
Das Adventsgesicht der Christen
„Bitte warten sie hier!“ sagte ich zu dem Blinden und ließ ihn an einer verkehrsgeschützten Ecke des Großstadtbahnhofs allein. Ich wollte ihm das Gewühl ersparen auf dem Weg zum Schalter, zur Auskunft, zur Fahrplantafel und zur Post. Zurückkehrend sah ich ihn schon von weitem stehen, während die Menschen an ihm vorbeihetzten, ein Kind ihn anstarrte, ein Gepäckkarren einen Bogen um ihn fuhr und ein Zeitungsverkäufer nach einem irrtümlichen und vergeblichen Angebot fast scheu wieder von ihm wegging.
Er stand ganz still, der Blinde, und auch ich musste ein paar Augenblicke stehenbleiben. Ich musste sein Gesicht ansehen. Die Schritte um ihn her und die unbekannten Stimmen und all die Geräusche eines lebhaften Verkehrs, die schienen für ihn keine Bedeutung zu haben. Er wartete. Es war ein ganz geduldiges, vertrauendes und gesammeltes Warten. Es war kein Zweifel auf dem Gesicht, dass ich etwa nicht wiederkommen könnte. Es war ein wunderbarer Schein der Vorfreude darin; er würde bestimmt wieder bei der Hand genommen werden. Ich kam nur langsam los vom Anblick dieses eindrucksvoll wartenden Gesichtes mit den geschlossenen Lidern; dann wusste ich auf einmal: So müsste eigentlich das Adventsgesicht der Christen aussehen! Mich fasziniert das vertrauensvolle und gelöste Adventsgesicht des Blinden in der obigen Kurzgeschichte! Da ist einer, der mitten in der Unruhe der Zeit weiß, dass einer kommt und ihn führen wird. Er ist mit einem großen Urvertrauen ausgestattet. Und wir dürfen uns ebenfalls fragen, ob wir so ein Urvertrauen haben und worauf es gegründet ist. Ein Beter im Lukasevangelium hat es so formuliert: „Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“ (Monatsspruch Dezember aus Lukas 1, 78-79)
Dieser Vers, der auf die Geburt von Jesus Christus hinweist, ist für viele Menschen über Jahrhunderte hin zu einer Lebenserfahrung geworden. Sie berichteten und berichten von spürbaren Hilfen, wenn sie Gott ihr Leben anvertrauten. Welche Erfahrungen habe ich gemacht? Kenne ich auch dieses Urvertrauen? Wie kann ich es bekommen? Vertrauen kann man jemandem, mit dem man eine Beziehung pflegt. Das heißt für mich, ich kann Gott vertrauen, wenn ich den „Draht nach oben“ nicht abreißen lasse und „in Zwiesprache“ bleibe. Ich kann das „aufgehende Licht aus der Höhe“ in meinem Leben spüren, wenn ich mich bewusst für diese Beziehung entscheide. Dann werde ich erleben, dass – wie bei dem Blinden – ein Urvertrauen wächst, das mir einen inneren Frieden schenkt, der mir gut tut. Dieser Frieden wird nach außen wirken auf unsere Mitmenschen und unsere ganze Gesellschaft.
Lassen Sie sich einladen, in dieser Advents- und Weihnachtszeit einmal ganz bewusst damit anzufangen, dieses Vertrauen zu suchen.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
War´s das?
Das war es: Ein ganzes Jahrzehnt, so intensiv wie noch nie, hatten sich Protestanten mit Luthers Reformation beschäftigt. Für das Jubiläumsjahr selber hatten sich die Erinnerungs-stätten herausgeputzt, Ausstellungen inszeniert, Werbung betrieben. Es war gelungen, den Reformationstag auch dort schul- und arbeitsfrei zu begehen, wo er sonst als üblicher Werktag galt. Der 31. Oktober erlebte in der Lutherstadt Wittenberg noch einmal einen
Höhepunkt. Auch Schönfeld-Weissig war unter den zahlreichen Gemeinden, die der Reformation verstärkte Aufmerksamkeit widmeten mit besonderen Veranstaltungen, in vertiefenden Gesprächskreisen, mit andachtsvollem Vorlesen des Neuen Testaments aus der Lutherübersetzung, regelmäßigen Betrachtungen im Gemeindebrief.
Nun geht das Jubiläum zu Ende - war es das? Die Stimmen, inner- wie außerkirchlich, mehren sich, die das Ganze für einen Schlag ins Wasser halten: Viel Lärm um nichts. Das Anliegen der Reformation einer säkularisierten Umwelt nahezubringen, sei misslungen.
Keine Frage: Kritisches wird zu bedenken sein. Für uns möchte ich dreierlei festhalten:
Fazit: Das Jubiläum ist vorüber, aber die Fragen und die Aufgaben bleiben. Sie werden uns weiter beschäftigen. Ich hoffe und wünsche, Sie sind dabei.
Ihr Jürgen Bergmann
Liebe Gemeinde,
was war das für eine Zeit damals, als Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche schlug! Mit Eifer und Herzblut kämpfte er um seine Kirche. Sie war schon lange in alten Machtstrukturen und verfälschter Botschaft gefangen und die Gläubigen wurden mit Angst dazu genötigt, ihr Seelenheil mit Ablassbriefen zu erkaufen.
Luther dagegen erkannte bei seinem Bibelstudium, dass man vor Gott keine Angst haben muss. Und er wollte, dass dies viele andere auch erkennen. Deshalb lag ihm die Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache am Herzen.
Er förderte zudem die Schulbildung, damit möglichst viele Menschen die Bibel selbst lesen konnten. Er schrieb deutsche Kirchenlieder und öffnete die Universitäten zum freien Disput. Das alles sollte die Menschen von klein auf in die Lage versetzen, die freimachende Botschaft von Jesus Christus kennenzulernen.
Gott hat durch Luther und viele seiner mutigen Zeitgenossen die erstarrte und machtgetränkte Kirche grundlegend verändert. Eine Kirche, die nicht ohne Fehler war, aber damals wieder ganz neu versuchte, nach den Grundlagen der Bibel zu fragen und zu leben.
Wenn wir nun im Jahr 2017 diesen bemerkenswerten Wandlungsprozess der Kirche vor
500 Jahren feiern, dann müssen wir neben aller Dankbarkeit auch ehrlich fragen, in welcher Verfassung sich unsere Kirche heute befindet und inwieweit wir aufgerufen sind, für sie zu kämpfen, wie es Luther getan hat. Auf unserer Thesentür in Weißig (Titelbild) lese ich Fragen, ob unsere Kirche zu politisch und zu weit links orientiert ist und die Hilfe für die Flüchtlinge über die Ängste der eigenen Bürger stellt. Oder: „Sollte die Kirche nicht endlich auch die Ehe für alle unterstützen?“
Das alles sind wichtige Fragen, aber für mich steht hier zunächst eine andere: „Wie soll die Kirche unsere christlichen Werte vertreten und für sie kämpfen, wenn ein Großteil der Menschen, auch der getauften Christen, ihre Fragen, Vorschläge und Kritik dort nicht einbringen, ihr den Rücken kehren und sich zurückziehen?
Margot Kässmann schreibt dazu treffend: „Mit wem sollte ich denn meine Glaubensfragen besprechen, wenn nicht mit Menschen, die ebenfalls glauben?… Eine Gemeinschaft, die miteinander redet und ringt, ist kreativ und lebendig. Und dabei ist Zweifeln eine wichtige, positive Kraft.“
Nutzen wir diese Kraft zur Erneuerung unserer Kirche.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
15.08.2017
Vor dem Statthalter Felix
„ Nach fünf Tagen kam der Hohepriester Hananias mit einigen Ältesten und dem Anwalt Tertullus herab; die erschienen vor dem Statthalter gegen Paulus.
Als der aber herbeigerufen worden war, fing Tertullus an, ihn anzuklagen, und sprach: Dass wir in großem Frieden leben unter dir und dass sich für dieses Volk vieles gebessert hat durch deine Fürsorge, das erkennen wir allezeit und allenthalben mit aller Dankbarkeit an, hochgeehrter Felix. Damit ich dich aber nicht zu lange aufhalte, bitte ich dich, du wollest uns kurz anhören in deiner Güte. Wir haben erkannt, dass dieser Mann schädlich ist und dass er Aufruhr erregt unter allen Juden auf dem ganzen Erdkreis und dass er ein Anführer der Sekte der Nazoräer ist. Er hat auch versucht, den Tempel zu entweihen. Ihn haben wir ergriffen. Wenn du ihn verhörst, kannst du selbst das alles von ihm erkunden, wessen wir ihn verklagen. Auch die Juden bekräftigten das und sagten, es verhielte sich so. Paulus aber antwortete, als ihm der Statthalter winkte zu reden: Weil ich weiß, dass du in diesem Volk nun viele Jahre Richter bist, will ich meine Sache unerschrocken verteidigen. Du kannst feststellen, dass ich nicht mehr als zwölf Tage hatte, seit ich nach Jerusalem hinaufzog, um anzubeten. Und sie haben mich weder im Tempel noch in den Synagogen noch in der Stadt dabei gefunden, wie ich mit jemandem gestritten oder einen Aufruhr im Volk gemacht hätte. Sie können dir auch nicht beweisen, wessen sie mich jetzt verklagen. Das bekenne ich dir aber, dass ich nach dem Weg <gemeint ist das Christentum>, den sie eine Sekte nennen, dem Gott meiner Väter so diene, dass ich allem glaube, was geschrieben steht im Gesetz und in den Propheten. Ich habe die Hoffnung zu Gott, die auch sie selbst haben, nämlich dass es eine Auferstehung der Gerechten wie der Ungerechten geben wird. Darin übe ich mich, allezeit ein unverletztes Gewissen zu haben vor Gott und den Menschen. Nach mehreren Jahren aber bin ich gekommen, um Almosen für mein Volk zu überbringen und zu opfern. Als ich mich im Tempel reinigte, ohne viel Volks und Aufruhr, fanden mich dabei einige Juden aus der Provinz Asia. Die sollten jetzt hier sein vor dir und mich verklagen, wenn sie etwas gegen mich hätten. Oder lass diese hier selbst sagen, was für ein Unrecht sie gefunden haben, als ich vor dem Hohen Rat stand; es sei denn dies eine Wort, das ich rief, als ich unter ihnen stand: Um der Auferstehung der Toten willen werde ich von euch heute angeklagt. “ (Apostelgeschichte, Kapitel 24, Verse 1 – 21)
Was ist die Situation?
Ungefähr 23 Jahre nach dem berühmten „Damaskuserlebnis“, in dessen Folge aus dem gesetzestreuen Pharisäer Saulus der uns bekannte Paulus wurde, erreichte der Missionar zum zweiten Mal die Stadt Jerusalem. Hinter ihm liegen die ausgedehnten Reisen durch Kleinasien, Makedonien und Griechenland. Einerseits war er der vermutlich erfolgreichste Sendbote für das neue christliche Bekenntnis, andererseits sahen die traditionellen Juden in ihm einen gefährlichen Aufrührer. So stellte Paulus das jüdische Religionsrecht mit seinen vielen strengen Regeln infrage, obwohl er ein ausgebildeter Toralehrer war. Er stieß bei Juden, Römern und griechisch Gebildeten immer wieder auf starke Ablehnung, die mitunter sogar zu „Aufruhr“ führte. Paulus überlebte mehrere körperliche Auseinandersetzungen, Steinigungsversuche, Strafgeißelungen und Haft. Sein Ruf ging ihm offenbar voraus. In der Apostelgeschichte ist davon die Rede, dass seine fundamentalistischen Gegner aus dem palästinischen Judentum regelrechte Anschläge gegen Paulus geplant hatten. Als er nun im Frühjahr 56 Jerusalem erreicht, erfüllen sich die Befürchtungen schnell. Paulus wird von Juden angeklagt, er habe einen Nichtjuden mit in den Tempel gebracht: Darauf stand nach der geltenden Toradeutung die Todesstrafe, die die Römer bei solchen religiösen Vergehen in der Regel auch zuließen. Was geschah dann? Um ihn vor jüdischer Lynchjustiz zu schützen, griff die römische Wache ein und nahm ihn in Schutzhaft (Apg 21,27–36). Man brachte ihn unter der Deckung einer erheblichen Streitmacht herunter nach Caesarea an die Küste des Mittelmeeres. Dort wurde er dem römischen Statthalter Marcus Antonius Felix vorgeführt.
Ich finde, man hört, dass dieser Bibeltext wirklich etwas anderes ist, als das, was wir gewöhnlich erfahren. Er schildert eine römische Gerichtsszene mit Anklage und Verteidigung. Nur im letzten Absatz, dem 21., geht es wirklich ernsthaft um den Glauben, als Paulus ausruft: „ … es sei denn dies eine Wort, das ich rief, als ich unter ihnen stand: Um der Auferstehung der Toten willen werde ich von euch heute angeklagt.“
Hat sich diese Szene wirklich so zugetragen? Gesichert ist das nicht – andererseits spricht gerade die neuere Forschung dem Autor der Apostelgeschichte, einem antiken Historiker unter dem Namen „Lukas“, im Großen und Ganzen fundierte politische, juristische, soziale und geographische Kenntnisse zu. So haben wir es heute also mit einem nachrichtlichen Bericht aus der Antike zu tun, den uns das Neue Testament überliefert. Er gibt uns ein Beispiel für die außerordentliche formale und inhaltliche Vielfalt der Bibel, die einen immer wieder überrascht.
Es bleibt noch die Frage: Was ist aus dem Prozess gegen Paulus geworden? Das Verfahren wurde verschleppt und mündete in eine mehrjährige rechtliche Auseinandersetzung. Der Gefangene wurde freundlich behandelt. Als Statthalter hatte Marcus Antonius Felix offenbar wenig Interesse, Paulus der jüdischen Religionsjustiz preiszugeben. Andererseits wollte er den jüdisch-christlichen Missionar auch nicht frei umherziehen lassen. Zwei Jahre später trat ein neuer kaiserlicher Prokurator sein Amt in Judäa an: Porcius Festus. Der schickte ihn nach einigem hin und her nach Rom, so schreibt Lukas. Paulus habe sich auf sein Recht als römischer Bürger berufen und an den Kaiser selbst appelliert. In Palästina war man möglicherweise zufrieden: Wenigstens ein Fall wurde in Ruhe gelöst.
Frank Pawassar
Selbstgespräch
Wunderbar, jetzt kommt wieder die schöne Sommerzeit. Alles wird etwas ruhiger, gelassener als sonst. Ich kann durchatmen und die Hektik des Jahres etwas hinter mir lassen. Vor allem der Urlaub ist es, auf den ich mich freue. Es geht wieder in den Süden, nach Italien. Dort sind die Menschen irgendwie anders. Es ist, als ob sie mehr Zeit haben. Alles strahlt Ruhe und Gelassenheit aus.
Und dann die schönen Kirchen, auf die freue ich mich ganz besonders.
Ich muss immer wieder an die eine Kirche im letzten Jahr denken. Mit meinem Mann trat ich in den wohltuend dunklen Raum. Es war wie in einer anderen Welt. Und dann war da dieses wunderbare Farbenspiel. Die Abendsonne überflutete mit den Farben eines Kirchenfensters förmlich den Innenraum der Kirche. Selten habe ich vorher so etwas Wunderbares gesehen. Welch eine Ruhe lag in diesem Raum und zugleich eine Kraft, die unbeschreiblich war. So, als ob Gott selbst mich berührte.
Und dann musste ich auf einmal an mein Leben zuhause denken. Unsere Kirche ist wunderschön, aber warum finde ich so selten zu ihr? Warum verzichte ich dort auf das, was mir hier im Urlaub so guttut. Es ist ja nicht nur die Ruhe und diese Stimmung, die mich berühren. Es sind auch die Menschen, die wie ich hier in diese Kirche kommen. Manchmal singen sie auch, beten oder feiern miteinander Gottesdienst, und wenn wir dabei waren, hat es uns gutgetan.
Ich nehme mir vor, diese Urlaubserfahrung nicht mehr nur auf diese kurze Zeit zu beschränken. Ich möchte Gott wieder näher kommen und zwar das ganze Jahr über.
Als ich damals die Kirche wieder verlassen wollte, las ich am Ausgang einen Bibelspruch aus dem Epheserbrief Kap. 2,19:
„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“.
Ja, das wollte ich auch wieder - dazugehören, nicht mehr fremd, sondern Hausbewohner in Gottes WG sein.
Wie gesagt, ich freue mich wieder auf Italien mit seinen schönen Kirchen.
Aber jetzt weiß ich, dass meine Kirche hier viel wichtiger ist, weil sie mich im Alltag meines Lebens begleitet.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele gute Erlebnisse!
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
"Evangelisch" - und weiter?
"Protestanten", so nannte man die Anhänger der Reformation, die 1529 auf dem Reichstag zu Speyer Widerstand leisteten gegen den Versuch, die ihnen zugestandene Duldung aufzuheben. "Protestierer" also, wir würden heute zeitgemäß "Opposition" sagen, und beide
Begriffe beschreiben eine Haltung, sagen aber inhaltlich nichts aus. Daher bezeichneten sie selber sich lieber als "evangelisch" und machten damit deutlich, worum es ihnen in der Sache ging: Um das Evangelium von Jesus Christus, wie es Martin Luther zur alleinigen Richtschnur für den Glauben der Christen und die Botschaft der Kirche erklärt hatte.
"Evangelisch" geben auch wir an, wenn wir nach unserer Kirchenzugehörigkeit gefragt werden. Und begnügen uns in der Regel damit. Aber im Konfirmandenunterricht habe ich noch gelernt, dass die korrekte Bezeichnung weitergeht: "Evangelisch-lutherisch", wobei man "lutherisch", wie es dem Lateinischen entsprach, auf der 2. Silbe zu betonen hatte. Das macht heute kein Mensch mehr, aber zu "evangelisch" das "lutherisch" zu setzen, dient auch heute der Klarheit: Evangelisch nämlich heißen ja auch andere Kirchen und Gemeinschaften, die auf andere Zweige der Reformation als auf Luther zurückgehen und sich deshalb z.B. "evangelisch-reformiert", "evangelisch-methodistisch" oder auch "evangelisch-freikirchlich" nennen. Und bei allem ökumenischen Verbundensein unterscheiden wir uns auch; so finden wir "Lutheraner" als wichtige Bekenntnisse unserer Kirche im Anhang unseres Gesangbuches das "Augsburger Bekenntnis" und den "Kleinen Katechismus" (wir sollten dort ruhig mal wieder nachlesen).
Also: Es ist nicht überholt und überflüssig, wenn wir zu unserer Herkunft und zu unserer besonderen Prägung stehen und so "evangelisch-lutherisch" ausschreiben.
Ihr Jürgen Bergmann
Liebe Gemeinde
Zu Karfreitag und Ostern schauen wir in besonderer Weise auf Christus, der für uns gestorben ist, für unsere Unvollkommenheit, unsere Fehler und Schwächen. Das alles nimmt er mit ans Kreuz und macht gleichzeitig durch seine Auferstehung deutlich, dass er uns dennoch annimmt und darin ein Leben in Fülle ermöglicht. Er schaut uns in Liebe an und sagt „Ja“ zu uns, so wie wir sind.
Gleichzeitig fordert er uns zu einem Perspektivwechsel heraus:
Seht die Welt mit meinen Augen! Kümmert euch um Menschen mit ihren Nöten und Ängsten!
Nehmt euch an mit euren Fehlern und Schwächen!
Macht euch Mut und vertraut darauf, dass Gott aus all dem dennoch Gutes entstehen lassen kann, so wie in dieser Geschichte eines unbekannten Verfassers:
Es war einmal eine alte chinesische Frau. Mit zwei Schüsseln, die an einer Stange hingen, die sie über ihren Schultern trug, ging sie Wasser holen. Eine der Schüsseln hatte einen Sprung, die andere war makellos. Am Ende der langen Wanderung vom Fluss zum Haus enthielt die eine Schüssel stets die volle Wassermenge, die andere war jedoch immer nur noch halb voll. Die makellose Schüssel war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung. Die Schüssel mit dem Sprung aber schämte sich wegen ihres Makels und war betrübt, dass sie nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie gemacht worden war.
Nach zwei Jahren, die ihr wie ein endloses Versagen vorkamen, sprach die Schüssel zu der Frau: „Ich schäme mich so wegen meines Sprunges, aus dem den ganzen Weg zu deinem Haus immer Wasser läuft.“
Die Frau lächelte: „Ist dir aufgefallen, dass auf deiner Seite des Weges Blumen blühen, aber auf der anderen Seite nicht? Ich habe auf deiner Seite Blumensamen gesät, weil ich mir deiner Besonderheit bewusst war. Nun gießt du sie jeden Tag, wenn wir nach Hause laufen. Zwei Jahre lang konnte ich wunderschöne Blumen pflücken und den Tisch damit schmücken. Wenn du nicht genauso wärst, wie du bist, würde diese Schönheit nicht existieren.“
Durch IHN die Welt sehen:
Die RICHTIGE PERSPEKTIVE haben. Um DURCH-ZU-BLICKEN.
Um MEHR ZU SEHEN.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Schon alles eins?
"Ach, Herr Pastorchen, ist all een Deibel", soll sich nach einem ostpreußischen Witz Muttchen Kaludrigkeit gerechtfertigt haben, als ihr lutherischer Pfarrer vorwurfsvoll fragte, wieso sie im katholischen Gottesdienst gewesen sei. Ein und derselbe Teufel, das schien ihr einleuchtend; dass Evangelische und Katholische den gleichen Gott verehrten, wagte sie offensichtlich nicht zu behaupten.
Da sind wir heute weiter, Gott sei Dank: Die christlichen Konfessionen sind einander nähergekommen. Ökumenisches Miteinander ist selbstverständlich geworden. Das Reformationsjubiläum 2017 bezieht auch die katholische Kirche mit ein, sie begeht es mit uns als Christusfest. Hatte Luther noch allen Grund, sich„ wider das Papsttum zu Rom , vom Teufel gestiftet“, zu wenden, wird Papst Franziskus auch von evangelischen Christen geschätzt.
Und in einer gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre haben Katholiken und Lutheraner sich zur Übereinstimmung in Grundfragen des Glaubens bekannt und festgestellt, dass die früheren wechselseitigen Verurteilungen heute nicht mehr zutreffen.
Gibt es im Zeitalter der Ökumene also eigentlich noch trennende Unterschiede? Ja, die gibt es. Spürbar werden sie etwa im Amts- und Sakramentsverständnis, die der gemeinsamen Feier des Abendmahls im Wege stehen, aber auch bei der nach evangelischer Sicht unbiblischen Heiligen- und Marienverehrung. Zur sichtbaren Einheit ist es wohl noch ein weiter Weg. Wir sollten ihn gehen, aufgeschlossen füreinander, aber auch im selbstbewussten Wissen darum, was unser Evangelischsein ausmacht.
Ihr Jürgen Bergmann
Vom Vertrauen schenken
Betrachtung über Lukas 9, 1 - 6
Er rief aber die Zwölf zusammen und gab ihnen Gewalt und Macht über alle Dämonen und dass sie Krankheiten heilen konnten und sandte sie aus, zu predigen das Reich Gottes und zu heilen die Kranken. Und er sprach zu ihnen: Ihr sollt nichts mit auf den Weg nehmen, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld; es soll auch einer nicht zwei Hemden haben. Und wo ihr in ein Haus geht, da bleibt und von dort zieht weiter. Und wenn sie euch nicht aufnehmen, dann geht fort aus dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie. Und sie gingen hinaus und zogen von Dorf zu Dorf, predigten das Evangelium und heilten an allen Orten.
Ich will versuchen, den Originaltext mit meinen Worten zu wiederzugeben:
Jesus gab den Zwölfen eine Aufgabe. Er gab ihnen die „Gewalt und Macht“. Das sind Fähigkeiten, die Aufgabe zu lösen. Er sandte sie aus, Gottes Wort zu verkünden und auch etwas zu tun im Sinne des Herrn. Die Jünger dürfen für diese Reise nichts mitnehmen. Es erscheint rätselhaft, warum. Die Jünger sollen allein darauf bauen, dass Fremde sie als Gast aufnehmen. Wo das nicht geschieht, da beuge man sich ohne Klage – es soll von sich aus sprechen. Und die Jünger gehorchten und sie konnten tatsächlich an allen Orten helfen.
Viel bekannter ist die Geschichte von der Speisung der Viertausend (z.B. Mt. 15 und 16). Auch dieses Mal erfahren wir von einer Aufgabe, die unlösbar erscheint. Die zwölf Jünger sollen fortgehen und nicht nur schöne Worte gebrauchen, sondern heilen. Heilen des Körpers, Heilen der Seelen. Wie kann das gehen? Die Jünger hatten einfache Berufe. Von Heilkunst verstanden sie nichts. Wer unvorhergesehen so eine Aufgabe bekommt, der fühlt sich überfordert, der empfindet – wie man heute sagt – Stress, Aufregung.
Unser Autor, Lukas, setzt noch einen drauf: Nichts an materiellen Gütern sollen Jesu Jünger mitführen, buchstäblich nichts. Nicht einmal ein zweites Hemd. Mit leeren Händen sollen sie vor fremden Häusern in den Dörfern stehen und um Kost und Logis bitten. Als Gegengabe gibt es Heilung. Was würden wir sagen, stünde so jemand vor unserer Tür und bäte uns um Einlass?
Ungefähr seit Luthers Zeit kennen wir im Deutschen das Wort „Vertrauen“. Darin steckt „trauen“. Ein kurzer Blick in das Lexikon: Das Wort „trauen“ gehört zu einer sehr alten Wortgruppe um den Begriff „treu“ = „stark“, „fest“. Im Griechischen steht dafür „pistis“ = „Glaube“, im Lateinischen „fides“ = die Treue. Die Frage des Vertrauens oder des mangelnden Vertrauens ist ein Problem, das auftritt, wenn wir uns vor (oder in) einer unsicheren Situation glauben. Dann ist Stärke gefragt, Festigkeit und manchmal auch Glaube, Treue. Wir sollten uns aber auch nichts vormachen:
Vertrauen benötigt immer eine Grundlage, eben eine „Vertrauensgrundlage“.
Was könnte die Jünger in unserer Geschichte dazu bewegt haben, ihrem Meister zu gehorchen? Aus dem Text erfahren wir dazu nichts. Für Lukas, den Berichterstatter aus den Jahren zwischen 60 und 85 nach Chr., erscheint diese Frage offenkundig nicht weiter diskussionswürdig. Das heißt, er ging davon aus, dass sich seine Leser und Zuhörer diese Frage nicht stellen würden. Es bleibt für uns heute nur übrig, die Vertrauensgrundlage in den guten Erfahrungen zu suchen, die die Jünger mit den Lehren Jesu selbst gemacht hatten: War er nicht ein Rabbi, der wirkliche Wunder schuf? Ging er nicht über das Wasser, als der Sturm tobte? Beruhigte er nicht die Wellen? Ließ er nicht die Netze von Fischen überquellen? Heilte er nicht die Aussätzigen? Hieß er die Jünger nicht, tausende Zuhörer mit fünf Broten und zwei Fischen zu verpflegen, wobei am Ende noch viele Körbe mit Brocken übrig blieben? Die Jünger waren vielleicht Augenzeugen des Geschehens, wir heute sind es nicht. Ob es sich hier, wenigstens im Kern, um Tatsachenberichte handelt, wie wir sie heute kennen, müssen wir folglich offen lassen. Nichts von dem lässt sich historisch überprüfen. Wir erkennen aus heutiger Sicht nur, dass es damals objektiv eine Vertrauensgrundlage gegeben haben muss. Sonst wäre alles sinnlos, was uns Lukas übermittelt.
Und hier suche ich die Antwort auf die Frage, was uns diese alte Geschichte des Lukas sagen könnte: Jesus verlangt, dass wir uns gegenseitig Vertrauen schenken. Er ist nur unter uns, wenn wir brüderlich und schwesterlich miteinander umgehen. Das heißt, wir sind dazu aufgefordert, das Vertrauen unter uns zu pflegen und zu stärken. Da spielt es zunächst auch keine Rolle, wie andere über einen denken. Was schreibt der Evangelist? „Und wenn sie euch nicht aufnehmen, dann geht fort aus dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie.“ Mit anderen Worten kann man auch sagen: Schimpft nicht über sie! Sie stellen sich selbst dahin, wo sie hingehören wollen. Und sie gingen hinaus und zogen von Dorf zu Dorf, predigten das Evangelium und heilten an allen Orten.
Ihr Frank Pawassar
„Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch“ Hesekiel 36,26
Haben Sie gewusst, dass viele Menschen, die ein neues Herz implantiert bekommen haben, oft eine seltsame Veränderung in sich spürten? Sie sahen und taten Dinge, die sie vorher an sich so nicht kannten.
Forscher haben bei unabhängigen Befragungen von Herzempfängern und deren Spendern entdeckt, dass manche Erlebnisse oder auch Wesenszüge des Spenders sich auf den Empfänger übertragen haben. Das neue Herz ist demnach nicht nur ein schlichtes Organ, das Blut durch den Körper pumpt und den Körper mit Sauerstoff versorgt, sondern es trägt auch Informationen in sich, die etwas vom Wesen des Menschen abbilden, der das Herz in sich hatte.
Mich fasziniert diese Erfahrung, denn sie veranschaulicht in wunderbarer Weise, was uns der Bibelvers sagen will, der uns über das ganze Jahr begleiten soll.
Gott schenkt uns ein neues Herz und damit auch einen neuen Geist - also ein neues Denken und Fühlen! Es ist etwas in uns, dass uns in einzigartiger Weise mit ihm verbindet. Da ist etwas in uns eingepflanzt, was uns von Grund auf prägt.
Ich könnte mir vorstellen, dass das durchaus zwiespältige Gedanken hervorruft. „Will ich mich denn überhaupt so verändern lassen? Ich bin doch eigentlich ganz zufrieden mit dem, wie ich lebe, denke und fühle.“
Auf der anderen Seite erleben wir aber auch, wie sich Menschen verändern in einer Weise, die uns erschreckt, weil ihre Herzen von einem ganz anderen Geist in Beschlag genommen werden. Viele haben Angst vor Menschen, die ihnen fremd sind, von denen Gefahr auszugehen scheint, manchmal auch tut. Aber diese Angst verändert unmerklich ihr Herz. Es nimmt Abstand, schottet sich ab und bildet mit der Zeit eine harte undurchdringliche Schale. Andere Herzen sind durch viele Enttäuschungen, Rückschläge und Niederlagen im Leben abgestumpft. Sie können nichts mehr erwarten oder hoffen und wollen es auch nicht, um nicht wieder enttäuscht zu werden. Und schließlich verlieren sich auch viele in den vielen Möglichkeiten, die unsere westliche Welt heute zu bieten hat. Junge Menschen vor allem vermissen etwas in ihrem Leben, das ihnen wirklich Sinn gibt. Etwas, wofür es sich lohnt zu leben.
Und ich selbst? Steckt nicht unter der selbstbewussten und stark erscheinenden Oberfläche, die ich nach außen zeige, oft eine große Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit, einer Richtschnur, auf die ich mich verlassen kann auch dann, wenn alles Selbstbewusstsein sich gerade verabschiedet?
Wie gut ist es da zu wissen, dass Gottes Herz stark machen will. Stark gegen die Ängste, die uns beherrschen wollen, gegen die Unruhe und Hoffnungslosigkeit, die uns im Blick auf die schlimmen Geschehnisse in der Welt jegliche Freude rauben.
Gottes Herz war stark genug, Verbrecher und Mörder hinter Gefängnismauern so zu verändern, dass sie ihre Schuld wirklich bereuen und Vergebung finden konnten. Es war stark genug, einen millionenschweren aber einsamen Karrieremenschen wieder einen Blick für die wichtigen Dinge im Leben zu geben. Und ein krebskranker Sportler, der im Krankenhaus zu Gott gefunden hat, konnte getröstet in Frieden sterben.
Die Kernfrage, die bleibt, ist: möchte ich dieses geschenkte neue Herz und den neuen Geist annehmen?
Ich wünsche uns allen, dass diese Frage uns umtreibt.
Ihr Pfarrer Fritzsch
3x Hammer
"Das ist der Hammer!", diese Redewendung, mit der wir kommentieren, dass uns etwas stark beeindruckt, dürften die im Hinterkopf gehabt haben, die den drei großen Reformationsausstellungen dieses Jahres in Berlin, Eisenach und Wittenberg den gemeinsamen Titel "3x Hammer - die volle Wucht der Reformation" gaben. Aber vor allem wollen sie damit an Luthers Thesenanschlag erinnern: Der hammerschwingende Reformator, das ist ein einprägsames Bild. Dabei wird es neuerdings von der Wissenschaft zunehmend in Frage gestellt: Dass der Reformator sein Thesenplakat am Vorabend des Allerheiligenfestes 1517 an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen habe, sei Legende. Und tatsächlich findet sich die erste Erwähnung erst Jahrzehnte später.
Also: Hat er nun, oder hat er nicht?
Dafür spricht: Die Kirchentür war so etwas wie das "Schwarze Brett" der Universität. Wer etwas bekannt machen wollte, hängte es dort aus. Und Professor Luther lud mit dem Thesenanschlag öffentlich dazu ein, über seine provozierenden Sätze zu Buße und Ablass, Verdienst und Gnade, Papst und Kirche zu debattieren. Unmittelbaren Erfolg hatte er mit dieser Einladung nicht, die beabsichtigte Diskussionsrunde kam nicht zustande. Dagegen wurden die Thesen sofort nachgedruckt und verbreiteten sich mit Windeseile. Angenagelt oder nicht - in ihrer Wirkung waren sie "ein Hammer" und wurden zum Ausgangspunkt der Reformation. Auf einer im neunzehnten Jahrhundert vom preußischen König gestifteten massiven Bronzetür sind sie bis heute an der Wittenberger Schlosskirche zu lesen.
Ihr Jürgen Bergmann
Monatsspruch Dez. 2016:
Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.
Der Wächter auf der Stadtmauer, wie es ihn in der Vergangenheit gab, ist uns heute nicht mehr so vertraut. Aber das, was hinter diesem Bild steht, die Erfahrung von unendlicher Dunkelheit, die manche Gefahren in sich birgt, die kennen wir sehr wohl. Wie viele Menschen liegen nachts wach und finden keine Ruhe, weil Sorgen ihnen den Schlaf rauben. Und mit den Sorgen kommt die Angst, die Dunkelheit, die sich wie ein schwarzer Schleier über das Leben gelegt hat, könnte vielleicht nie mehr weggehen. Viele versuchen mit Schlafmitteln Ruhe zu finden, suchen Rat bei Psychologen und Ärzten, doch es hilft oft nur oberflächlich. Die Dunkelheit bleibt. Wie groß ist da die Sehnsucht nach Licht und Wärme, die Sehnsucht, wieder aufatmen zu können, dass endlich Frieden ins Herz einzieht.
Liebe Leser,
was empfinden Sie, wenn sie das Bild auf der Vorderseite ansehen?
Ich war im Oktober mit einigen Gemeindegliedern unserer Schwestergemeinden zusammen in Israel.
Und in der Geburtskirche von Bethlehem standen wir vor diesem Fenster mit dem Bild von der Geburt Jesu. Was uns dabei besonders berührte, war dieser totale Kontrast - der helle Stern inmitten tiefster Dunkelheit. Und dann das Weihnachtsgeschehen, die Geburt Jesu, eingebettet in dieses Licht, dass diese Finsternis geradezu aufhebt. Es nimmt ihm all seine bedrückende Macht.
Wer vor diesem Bild steht, ist überwältigt von seiner Ausdruckskraft.
Gleichzeitig wurde mir aber auch bewusst, wer allein die Macht hat, diese Strahlkraft zu erzeugen. Dieses Kind in der Krippe ist es, das später als erwachsener Mann Menschen aufgerichtet hat, die krumm vor Leid geworden waren, Kranke geheilt hat an Leib und Seele. Dieser Jesus hat nun schon seit 2000 Jahren Menschen in Höhen und Tiefen begleitet, hat sie in größter Dunkelheit getröstet und Kraft zum Leben gegeben bis heute.
Menschen in Gefängnissen, die zum Glauben kommen, finden inneren Frieden, andere werden in schwerer Krankheit oder im Angesicht des Todes getröstet. Im ganz normalen Alltag mit seinen Herausforderungen dürfen Menschen Kraft und Hilfe erfahren.
Ist das nicht Ermutigung genug, uns immer wieder auf die Suche zu machen nach dieser Licht- und Kraftquelle?
Liebe Leser, wenn wir im kommenden Jahr das Reformationsjubiläum feiern, dann sind wir aufgerufen, so wie Martin Luther damals vor 500 Jahren danach zu fragen, was uns im Leben wirklich trägt und worauf wir uns verlassen können besonders dann, wenn Dunkelheit unser Leben überschattet.
Die vielen Veranstaltungen zum Jubiläum sollen uns dabei helfen, miteinander über die Zukunft unseres Glaubens, unserer Gemeinden und damit der Kirche ins Gespräch zu kommen. Vielleicht entdecken wir Neues für uns.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Alles in Luther
Na ja, "alles" vielleicht doch nicht; wer weiß schon, was alles 2017 auf uns zukommen und uns beschäftigen wird. Aber Luther und das 500. Jubiläum der Reformation gehören ganz gewiss zu den Themen, die das kommende Jahr bestimmen werden. Es ist über zehn Jahre hin vorbereitet worden und hat im Oktober am Reformationstag öffentlichkeitswirksam den Start ins Festjahr erlebt. Die Lutherstätten von Eisleben bis Wittenberg sind in Stand gesetzt und erwarten Scharen von Besuchern. Unsere Kirchen sind gerüstet, die reformatorische Botschaft ins Land zu tragen und unter die Leute zu bringen. Christen und Nichtchristen sind eingeladen, in sechs Städten Mitteldeutschlands "Kirchentage auf dem Weg" und ein großes Abschlussfest in Berlin und Wittenberg zu feiern. Und natürlich sorgen Kunst und Kultur, Film und Fernsehen, aber auch Handel und Gewerbe dafür, das Reformationsgedenken ins Bewusstsein zu rücken: Es gibt nicht nur Gedenkmünzen und Lutherbier, der Spielzeughersteller Playmobil hat mit seiner Lutherfigur einen echten Verkaufsschlager gelandet.
Dresden gehört nicht zu den Lutherstädten, auch wenn Luther zweimal hier gewesen ist: Die Reformation konnte sich im albertinischen Sachsen erst reichlich zwei Jahrzehnte nach dem Thesenanschlag durchsetzen. Doch im Lauf des neuen Jahres werden auch wir genug vom Jubiläum zu spüren bekommen. Ich meinerseits möchte unseren Gemeindebrief gern nutzen, um Ihnen in den nächsten Monaten im "Stichpunkt" nicht nur das Reformationsgeschehen näher zu bringen, sondern vor allem mit Ihnen darüber nachzudenken, was es für uns heute heißt, in Luthers Nachfolge evangelisch zu sein.
Gott segne uns das Lutherjahr!
Ihr Jürgen Bergmann
Vielleicht haben Sie das auch schon einmal erlebt -
man fährt mit dem Auto in den Urlaub an die See, und fast am Ziel geht der Weg kilometerweit am Deich entlang. Man weiß, dass dahinter das Meer ist und das Bedürfnis, es zu sehen, steigert sich ins Unermessliche.
Irgendwann hält man es nicht mehr aus. Der Wagen wird gestoppt und dann läuft man voller Erwartung solch eine Treppe – wie auf unserem Titelbild - hoch, die auf den Deich hinaufführt. Schon atmet man die frische Meeresluft, bis endlich das Ende erreicht ist und sich eine unendliche Weite auftut. Es ist ein Gefühl größter Freiheit. Nichts versperrt den Blick und alle Anstrengungen der Reise fallen von einem ab.
So muss sich Martin Luther damals gefühlt haben, als er nach jahrelangem Ringen und angestrengtem Suchen nach einem Weg zu Gott und seiner Gnade endlich am Ziel war.
Im Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom hat er entdeckt, dass man sich Gottes Gnade weder durch eigene Anstrengung noch durch den Kauf von Ablassbriefen erwerben kann, sondern allein durch den Glauben und das uneingeschränkte Vertrauen an Gottes Liebe und Vergebung.
Diese Erkenntnis war wie ein Befreiungsschlag von den quälenden Ängsten vor einem Gott, der nach der Lehre der damaligen Kirche keine Gnade zu kennen schien.
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Mit diesen Worten vor dem Kaiser und Vertretern der Kirche auf dem Reichstag zu Worms besiegelte er endgültig die Abkehr von der alten Lehre und leitete damit die Reformation, aber ungewollt auch die Abspaltung von der verfassten Kirche, ein, die weltweit ihre Spuren hinterließ. Begonnen aber hatte alles 1517 mit seinem berühmten Thesenanschlag an die Tür der Wittenberger Schlosskirche.
Wenn wir nun mit dem diesjährigen Reformationsfest in das 500jährige Reformationsjubiläum einsteigen, dann soll das nicht nur ein Erinnern sein an das Vergangene. Sondern es soll uns vor allem aufrufen, die drängenden Fragen unserer Zeit und unserer Kirche wahrzunehmen und im Glauben Lösungen zu finden.
Heute fragen Menschen in der westlichen Welt nicht mehr nach einen gnädigen Gott wie Luther damals. Sie fragen, wo Gott in dieser vom Wissen der Menschen beherrschten Welt noch seinen Platz haben soll.
Die Vernunft, gepaart mit Wohlstand und Absicherung nach allen Seiten, suggeriert, dass man das Leben im Griff hat. Und wenn diese Sicherheit doch einmal verloren geht und das Lebenskonzept ins Wanken kommt, dann finden viele dennoch nicht den Weg zu Gott und der Kirche. Woran liegt das?
Treibt uns Christen diese Frage überhaupt noch um?
Sind wir überzeugt, dass das, woran wir glauben und was uns im Leben trägt, die Menschen neben uns unbedingt kennenlernen sollten, weil es keinen besseren Weg gibt?
Wie gelingt der Brückenschlag von unserem bunten Gemeindeleben hin in die Lebenswelt derer, die von all dem nichts wissen?
Brauchen wir eine neue Reformation, die uns ganz neue Wege gehen lässt?
„Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“, so lautet der Monatsspruch für Oktober.
Nutzen wir diese Freiheit, um Mauern in unserem Glauben zu überwinden und Kirche neu zu denken. Lasst uns wie Luther damals unruhig und fragend sein, bis Gott uns zeigt, wo er uns braucht.
Unser Glaube kann Berge versetzen, wenn wir Vertrauen in diesen Geist der Freiheit haben.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Wissen Sie schon, wo Sie ruhen werden?
Nein, ich meine nicht Ihr Nachtquartier, mir geht es um die "letzte Ruhe".
Jahrhundertelang war das keine Frage: Im Normalfall wurde man auf dem örtlichen Friedhof begraben. Das hat sich geändert: Heute kann man wählen zwischen unterschiedlichen Orten und Bestattungsarten. Die häufigste ist die Feuerbestattung mit der Beisetzung in einem Urnengrab. Die Kirchen haben sie lange abgelehnt und auf der Unversehrtheit des Leichnams bestanden. Nach Kriegen und Katastrophen, in denen Unzählige verstümmelt wurden und verbrannten, ist das kein Argument mehr.
Inzwischen werden auch sogenannte "Friedwälder" oder Seebestattungen angeboten, und wer es exklusiv mag und sich´s leisten kann, kann sich ins All befördern lassen. Zunehmend finden sich auf den Friedhöfen auch Gemeinschaftsgrabstellen, während anonyme "Streuwiesen" dem christlichen Verständnis widersprechen: Vor Gott sind wir nicht namenlos.
Für viele Ältere spielt ein anderer Gesichtspunkt eine entscheidende Rolle: Wer wird sich um mein Grab kümmern? Sie wollen Kindern und Enkeln, die oft entfernt wohnen, die Pflege nicht zumuten. Und übertreiben dabei zuweilen im Bemühen, niemandem zur Last zu fallen: Schließlich sind sie doch früher über viele Jahre für eben diese Kinder da gewesen!
Wo wir einmal ruhen werden, das zu klären, ist nicht einfach, aber unumgänglich. Und es sollte im Einvernehmen und rechtzeitig geschehen. Vielleicht machen es uns die kommenden letzten Wochen des Kirchenjahres, die vom Gedenken an die Verstorbenen und der Botschaft der Auferstehung besonders geprägt sind, leichter, das für viele heikle Thema anzugehen.
Ihr Jürgen Bergmann
Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Matth. 25,40
In der Zeitung war neulich folgendes zu lesen: Der 30-jährige Flüchtling Kawa Suliman aus Syrien hat im oberfränkischen Zapfendorf spontan zwei Ausflügler bewirtet – weil diese ein Heim für Asylbewerber für ein Gasthaus gehalten hatten. Das Paar war der Meinung, der ehemalige Gasthof sei noch in Betrieb – tatsächlich leben hier längst Asylbewerber. "Ich sagte: Kommen Sie herein, machen Sie es sich bequem, fühlen Sie sich wie zu Hause", schilderte Suliman die Szene. Dann bewirtete er sie.
Diese Gastfreundschaft hat das Ehepaar sehr berührt. Es zeigt, dass auch viele hilfsbedürftige Menschen selbst gern helfen und damit ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollen.
Ähnliches haben wir auch erlebt, als wir im letzten Jahr unsere Partnergemeinde in Kandau besuchten. Bei einem gemeinsamen Essen in der von unserer Gemeinde unterstützten Suppenküche haben wir die Menschen kennengelernt, die zu den ärmsten der Gesellschaft gehören.
Wir durften die große Dankbarkeit und Freude erleben, die sie uns entgegenbrachten. Sie haben uns damit etwas wiedergegeben, das man nicht mit Geld aufwiegen kann.
Durch die Unterstützung der Hilfsbedürftigen ist nun auch eine enge Partnerschaft unserer beiden Kirchgemeinden gewachsen, in der wir von vielen Dingen erfahren, die unsere Geschwister in Kandau bewegen. Und so freuen wir uns, dass nun auch eine größere Gruppe von ihnen zu uns zu Besuch kommt und dadurch hoffentlich viele neue Kontakte und Freundschaften entstehen. Wir sind ja immer wieder darauf angewiesen, voneinander zu lernen und uns gegenseitig zu stärken für die drängenden Probleme unserer Zeit. Auch bei uns brauchen Menschen Unterstützung. Deshalb wollen wir die Einnahmen des Kuchenbasars vom Hochlandfest sowohl für die Suppenküche Kandau als auch für die Obdachlosenhilfe in Dresden spenden. Der oben abgedruckte Bibelspruch, der über der Woche des Besuchs der Partnergemeinde steht, weist uns also geradezu auf die Themen, die uns verbinden.
Und so möchte ich Sie einladen, diese Chance der Begegnung zu nutzen z.B. bei der gemeinsamen Fahrt nach Wittenberg, dem Grillabend im Pfarrhof Weißig oder dem festlichen Gottesdienst. Allen Quartiergebern und Helfern sei schon an dieser Stelle herzlich gedankt. Auch das ist ein wichtiger Dienst am Nächsten.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Schiffsherrengleichnis von Martin Luther
Unser Leben gleicht einer Schifffahrt. So wie die Schiffleute nämlich den Hafen vor sich haben, auf den sie ihre Fahrt richten, so ist uns die Verheißung des ewigen Lebens geschehen, dass wir in derselben gleichwie in einem Hafen sanft und sicher ruhen sollen. Weil aber das Schiff in dem wir geführt werden, schwach ist und äußerst gefährliche Winde und Stürme gegen uns anlaufen, so ist leicht einzusehen, dass wir eines sehr weisen Steuermannes bedürfen, der das Schiff mit seinem Rat so regiere und führe, dass es nicht an Steinklippen anstoße oder überhaupt untergehe. Dieser unser Steuermann ist allein Gott, der das Schiff nicht nur erhalten will, sondern auch kann, auf dass es, ob es gleich von ungestümen Wellen hin und her geworfen wird, gleichwohl sicher und unversehrt in den Hafen kommen möge. Er hat aber verheißen, dass er uns beistehen will, wenn wir ihn nur um Regierung und Hilfe bitten. Und solange wir diesen Schiffsherren bei uns haben und behalten, so kommen wir aus aller Heftigkeit der Stürme und aus den Wogen sicher heraus. Wenn aber die im Schiff in der größten Gefahr den Steuermann mutwillig aus dem Schiff werfen, der sie doch durch seine Gegenwart und Rat erhalten könnte, muss in diesem Fall das Schiff verderben. Und man sieht deutlich, dass der Schiffbruch nicht durch Schuld des Steuermannes, sondern aus Mutwillen und Unsinnigkeit derer, die im Schiff gewesen sind, geschehen ist.
Ihr Pfarrer Wilfried Fritzsch
Brexit - wie weiter?
Nun ist es also entschieden: England wird die Europäische Union verlassen. Wie und wann das geschehen soll, ist noch ebenso unbestimmt wie die Konsequenzen, die dieser Schritt für uns haben wird. Eins aber ist klar: Er darf und wird keine Rückkehr zur überholten "Splendid Isolation" und keine Abkehr von der europäischen Verantwortungsgemeinschaft bedeuten, mit der Europa die Lehren aus zwei Weltkriegen gezogen hat.
In dem Zusammenhang mag es nicht überflüssig sein, daran zu erinnern, wie erfreulich eng in den vergangenen Jahrzehnten die Beziehungen gerade zwischen unserer Stadt mit ihren Kirchgemeinden und England geworden sind:
Es waren junge Briten, die vor fünfzig Jahren mit ihrem Arbeitseinsatz beim Wiederaufbau des Diakonissenkrankenhauses den Grundstein dafür gelegt haben, dass heute vier Dresdner Kirchen - Diakonissenhauskirche, Kreuzkirche, Frauenkirche, Maria am Wasser - zur weltweiten "Nagelkreuzgemeinschaft" gehören, zu einer Gruppe, die im Gedenken an die Zerstörung Coventrys und seiner Kathedrale durch die deutsche Luftwaffe den Ruf zur Versöhnung wachhält.
Vom finanziellen Einsatz aber und vom Engagement der Engländer für die Wiedererrichtung der Frauenkirche kündet unübersehbar das Kreuz über deren Kuppel, geschaffen vom Sohn eines der Bomberpiloten, die Dresden in Schutt und Asche legten.
Und wenn es in Dresden auch keine "Englische Kirche" mehr gibt, auch sie ist dem Bombar-dement zum Opfer gefallen, so wird doch jeden Monat zum "Evening Prayer", zum anglikanischen Gottesdienst in englischer Sprache, in die Frauenkirche eingeladen.
Setzen wir also auch in Zukunft auf das starke Band, das uns als versöhnte Nachbarn und als Christen verbindet!
Ihr Jürgen Bergmann
Liebes Gemeindeglied,
an dieser Stelle möchten wir Sie einladen, mit uns Gedanken, zu Ihnen wichtigen Themen, zu teilen. Aber auch eine kurze Andacht kann hier stehen.
Senden Sie uns bitte Ihren Text an kv@ddkgsw.de.